55-Jähriger wegen Mordes an Vater in Graz angeklagt

Ein 55-jähriger Mann muss sich am Freitag im Grazer Straflandesgericht wegen Mordes verantworten. Er soll im Juli 2018 im weststeirischen Voitsberg seinen pflegebedürftigen Vater getötet haben. Der Angeklagte, der nur eingeschränkt zurechnungsfähig ist, bekannte sich bisher nicht schuldig. Laut Gutachter ist ein natürlicher Tod des Pensionisten aber auszuschließen.

Der Angeklagte ist in Deutschland geboren und wuchs in einem Heim auf, das Verhältnis zu seiner Familie in der Steiermark war schon immer problematisch. Eine Berufsausbildung machte er nicht, aber er fühlte sich stets als Künstler und Kunstsachverständiger. Bereits 2018 stand er im Grazer Straflandesgericht vor dem Richter, weil er den Sachwalter seines Vaters bedroht und verleumdet hatte.

2016 kam er in die Weststeiermark und übernahm die Pflege seines Vaters, obwohl dieser keinen Kontakt zu ihm wollte. Der Angeklagte soll versucht haben, das Vermögen des Pensionisten in seinen Besitz zu bringen. Er schirmte den 82-Jährigen weitgehend von der Außenwelt ab, weder Nachbarn noch der Seelsorger durften laut Anklage ins Haus. Als der Vater aus dem Fenster um Hilfe rief und schrie, dass sein Sohn ihn schlagen würde, soll dieser dafür gesorgt haben, dass der betagte Mann das Fenster nicht mehr unbeobachtet öffnen konnte.

Am 10. Juli 2018 soll der Angeklagte seinen Vater schließlich erstickt haben. Zunächst wurde ein natürlicher Tod angenommen, doch schon bald erhärtete sich der Verdacht, dass Fremdverschulden vorliegt. Der Gutachter stellte dann auch einwandfrei fest, dass der Tod durch Gewalteinwirkung gegen den Hals eingetreten war.

Die Anklägerin hatte dem 55-Jährigen unterstellt, den Vater aus finanziellen Motiv ermordet zu haben. Er soll es ihrer Meinung nach auf das Haus des Opfers abgesehen haben. Das leugnete der Beschuldigte heftig und sprach von „mehreren hunderttausend Euro“, die er demnächst bekommen hätte. „Ich habe alles, was ich besitze, für meinen Vater aufgebraucht“, beteuerte er.

Bereits im Vorfeld hatte der Angeklagte alle angezeigt, von der Staatsanwältin über den Richter und die Ermittler bis hin zum Einsatzkommando Cobra. Er fühlte sich permanent von allen verfolgt und unverstanden, seine Erklärungen waren äußerst detailreich, weswegen seine Befragung fast drei Stunden dauerte.

Ausführlich schilderte er seine Jugend in einem Heim und seinen Werdegang über eine abgebrochene Lehre bis zum selbst ernannten Kunstsachverständigen. Im Dezember 2016 kam er nach Voitsberg und übernahm die Pflege seines Vaters. „Meine Stiefschwester wollte ihn verschleppen und das Haus verkaufen“, war er überzeugt.

„Stimmt es, das Sie Ihren Vater wie ein Tier gehalten haben?“, fragte Richter Gerhard Leitgeb. „Die Frage ist absolut ehrenrührig“, empörte sich der Angeklagte. Dass er überall im Haus Schlösser angebracht hatte, fand er ganz normal, das sei „zur Objektsicherung“ gewesen. Die Alarmeinrichtungen, die das Öffnen der Fenster signalisierten, erklärte er mit der Suizidgefährdung des Vaters. Nachbarn hatten allerdings ausgesagt, dass der 82-Jährige einmal aus dem Fenster um Hilfe gerufen habe.

Sobald es um den Tag der Tat ging, wich der 55-Jährige immer wieder aus. Schließlich erzählte er unter Tränen, sein Vater sei „eingeschlafen“. Für die Verletzungen im Kehlkopfbereich, die zum Tod durch Ersticken geführt hatten, hatte er seine eigene Erklärung: „Mein Vater ist mehrmals gestürzt.“

Das Gutachten von Gerichtsmediziner Peter Grabuschnigg fand nicht das Wohlwollen des Beschuldigten. Er warf der Staatsanwältin vor, Beweise nicht an den Sachverständigen weitergeleitet zu haben. Dem Leiter der Behörde unterstellte er, Fakten überhaupt gefälscht zu haben. Die Expertise sei daher völlig unzutreffend: „Ich bin selbst Gutachter, ich bin eine Koryphäe“, war er überzeugt.

Der Prozess wird am Nachmittag mit Zeugen fortgesetzt. Da zwei Gutachter erst bei einem späteren Termin verfügbar sind, wird das Urteil allerdings nicht, wie zuerst geplant, für Freitag erwartet.