PiS nach Wahl in Polen im Aufwind

Nach einem klaren Sieg bei der Parlamentswahl in Polen sieht sich die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in ihrem Kurs bestätigt. Politische Beobachter in Warschau erwarten eine aggressivere Gangart der Nationalkonservativen - spätestens nach den Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr. In Brüssel blickt man mit gemischten Gefühlen auf den Erfolg der PiS.

Nach einer Prognose von Montag früh stimmten 43,6 Prozent der Wähler für die PiS und ihren Spitzenkandidaten, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Das reicht, um mit 239 Abgeordneten im Parlament mit 460 Mandaten allein zu regieren. Die PiS übertraf dabei deutlich ihr Ergebnis von 2015: Damals hatte sie 37,6 Prozent bekommen.

Angesichts des Wahlerfolgs wird die Partei voraussichtlich an Morawiecki als Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten festhalten. „Alles deutet daraufhin, dass Recht und Gerechtigkeit die Regierung bildet, daher denke ich, dass Mateusz Morawiecki seine Mission fortsetzen wird“, sagte dessen Kanzleichef. In Polen wird gerne spekuliert, ob der mächtige PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski nicht doch selbst den Posten des Ministerpräsidenten übernehmen möchte.

Das stärkste Oppositionsbündnis, die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) der ehemaligen Regierungspartei Bürgerplattform (PO), kam auf 27,4 Prozent der Stimmen. Außerdem werden das Linksbündnis SLD, die konservative Polnische Koalition der Bauernpartei PSL und die Partei Konfederacja des Rechtspopulisten Janusz Korwin-Mikke im neuen Sejm vertreten sein. Ein amtliches Endergebnis soll bis spätestens Dienstag morgen vorliegen.

Die PiS hatte im Wahlkampf mit ihrer Sozialpolitik und ihrer Vision eines konservativen, katholisch geprägten Wohlfahrtsstaats gepunktet. In den vergangenen vier Jahren an der Macht hat sie den Sozialstaat ausgebaut. Ihre umstrittenen Justizreformen hatten Warschau aber Verfahren der EU-Kommission eingebracht.

Die linksliberale Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ warnte in einem Kommentar, die PiS-Spitze werde den erneuten Wählerauftrag zur Zerstörung der Rechtsstaatlichkeit nutzen. „Der Angriff wird sicherlich zuerst auf die Medien erfolgen - und dann auf die Gerichte und die Kommunalverwaltungen.“

Die Regierungspartei werde „die liberale Demokratie weiter einschränken“, warnte auch die Politikwissenschaftlerin Anna Sosnowska-Materska im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP.

TT Digitalabo: 1 Monat um nur € 1,-

inkl. TT-ePaper und tt.com plus

Die PiS weiß mit ihrer Politik vor allem die Bevölkerung in ländlichen Regionen auf ihrer Seite. Die oppositionelle Bürgerkoalition (KO) wird dagegen vor allem von Wählern in den großen Städten unterstützt, denen die Rhetorik der PiS, ihre engen Beziehungen zur katholischen Kirche und die umstrittenen Justizreformen der Regierung ein Dorn im Auge sind.

„Ich habe für die Demokratie gestimmt, um die Zukunft meiner Enkelkinder zu bewahren“, sagte die Bürgerkoalition-Wählerin Jadwiga Sperska. „Der Kurs der derzeitigen Regierung könnte uns aus der EU führen.“

Dagegen glaubt der Politologe Antoni Dudek, die PiS werde zunächst auf aggressive Aktionen verzichten - zumindest bis zur Präsidentenwahl im Mai. Die Partei wolle die Wiederwahl von Amtsinhaber Andrzej Duda sichern und brauche dafür auch die Unterstützung der gemäßigten Wähler. Danach allerdings könnte sie wieder kämpferischer auftreten.

In Brüssel dürfte der PiS-Wahlsieg jedenfalls Kopfzerbrechen bereiten, hat die rechtskonservative Regierung nach Jahren erbitterten Streits mit der EU-Kommission doch scheinbar volle Rückendeckung der Wähler bekommen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gratulierte Morawiecki aber zum Wahlsieg. Juncker freue sich auf die weitere Zusammenarbeit, um gemeinsame Herausforderungen anzugehen, sagte Sprecherin Mina Andreeva am Montag in Brüssel.

Ein EU-Diplomat sagte am Montag: „Der Wahlausgang sollte nichts ändern.“ Beim großen Streitpunkt Rechtsstaatlichkeit gehe es um objektive Kriterien und die Einhaltung der EU-Verträge, nicht um Parteipolitik. Doch ist auch klar, dass die PiS-Regierung mit neuem Selbstbewusstsein in Brüssel auftreten dürfte.

Dort muss die künftige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ihre Linie erst finden. Ihre Wahl im Juli gewann sie mit Stimmen der PiS, und sie spricht im Streit über die Rechtsstaatlichkeit weit weniger rigoros als der derzeit zuständige Kommissionsvize Frans Timmermans.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Morawiecki ebenfalls zum Wahlsieg. Deutschland und Polen seien Freunde, Nachbarn und Partner, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die „enge Zusammenarbeit“ ist durch zahlreiche Konflikte belastet. Polen zählt zu den schärfsten Kritikern von Merkels Flüchtlingspolitik. Auch die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland sorgt für Streit.