Barcelona rechnet nach Demonstration mit neuen Protesten

Nach der Eskalation der Demonstrationen am Flughafen von Barcelona haben Anhänger der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung ihre Proteste fortgesetzt. Am Dienstagvormittag waren weiterhin mehrere Straßen blockiert und Zugverbindungen unterbrochen, dutzende Flüge fielen aus. Der zu 13 Jahren Haft verurteilte Ex-Vizeregionalchef Oriol Junqueras forderte indes ein neues Unabhängigkeitsreferendum.

Am Vorabend hatten sich Unabhängigkeitsbefürworter heftige Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften am Flughafen geliefert, mehr als hundert Menschen wurden dabei verletzt. Die Proteste vom Montag waren durch ein Urteil des Obersten Gerichthofs Spaniens gegen neun prominente katalanische Unabhängigkeitsbefürworter ausgelöst worden. Sie erhielten Haftstrafen von bis zu 13 Jahren wegen „Aufruhrs“ und Veruntreuung öffentlicher Gelder. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, im Oktober 2017 ein von der spanischen Justiz als illegal eingestuftes Unabhängigkeitsreferendum organisiert zu haben.

Die Separatisten zeigten sich unbeeindruckt von den harten Urteilen. Junqueras sagte in einem schriftlich geführten Interview mit der Nachrichenagentur Reuters, die Haftstrafen gegen ihn und acht weitere Anführer der Separatisten hätten die Unabhängigkeitsbewegung nur noch stärker und entschlossener gemacht. „Ich bin sicher, dass dieser Konflikt über Wahlurnen gelöst werden muss. Wir sind davon überzeugt, dass ein Referendum früher oder später unvermeidlich ist, denn wie können wir ansonsten den Bürgern eine Stimme geben?“, betonte Junqueras. Gegen die Urteile werde man beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg berufen.

Nach dem Urteil waren in Katalonien tausende Menschen auf die Straße gegangen. Sie versammelten sich auf der Plaça de Catalunya in Barcelona und forderten die Freilassung der „politischen Gefangenen“. Aufgebrachte Unabhängigkeitsbefürworter blockierten Straßen und Gleise.

Am Nachmittag waren Demonstranten dann zum Flughafen marschiert, um ihn zu blockieren. Hunderte Protestierende bewarfen die Sicherheitskräfte dort mit Steinen und Mülleimern. Diese setzten Schlagstöcke gegen die Aktivisten ein. Nach Angaben der Rettungskräfte wurden dabei 115 Menschen verletzt. In ganz Katalonien lag die Zahl der Verletzten demnach bei 131. Ein Demonstrant wurde nach Angaben eines Krankenhauses schwer am Auge verletzt worden. Die Polizei meldete eine Festnahme.

Infolge der Blockaden und Proteste wurden nach Angaben des Airport-Betreibers 110 Flüge am Montag abgesagt. Am Dienstagvormittag fielen erneut 45 Flüge aus, wie die spanische Flughafenaufsicht mitteilte. Hunderte Passagiere waren die Nacht über in dem Flughafen gestrandet. Die Flugverbindungen zwischen Barcelona und Wien waren laut Flughafensprecher Peter Kleemann nicht beeinträchtigt.

Zu den Protesten hatte die Gruppierung „Demokratischer Tsunami“ aufgerufen. Sie machten über den Kurzmitteilungsdienst Telegram für die Kundgebungen mobil. Wer hinter der Gruppierung steckt, war zunächst offen. Dennoch richtete Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska eine scharfe Drohung in Richtung der Aktivisten. Die Behörden würden die Hintermänner „ohne Zweifel“ ausfindig machen.

Auch der designierte EU-Außenbeauftragte und derzeitige spanische Außenminister, Josep Borrell, fand deutliche Worte für die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter. Er verurteilte deren „totalitäre Haltung“. Die Aktivisten würden Katalanen, die nicht für die Abspaltung von Madrid sind, die katalanische Zugehörigkeit absprechen, sagte Borrell. Die Unabhängigkeitsbefürworter würden jedoch nicht für die gesamte Bevölkerung der Region sprechen.

Kataloniens Regionalpräsident Quim Torra stellte sich hingegen hinter die Demonstranten. Er dankte im Kurzbotschaftendienst Twitter allen, die gegen die „Ungerechtigkeit des Urteils“ auf die Straße gingen.

Der Oberste Gerichtshof hatte den früheren katalanischen Vize-Regionalpräsidenten Junqueras zu 13 Jahren Haft verurteilt. Die frühere Präsidentin des katalanischen Regionalparlaments, Carme Forcadell, wurde zu elf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Jordi Sànchez, Ex-Chef der Katalanischen Nationalversammlung (ANC), und Jordi Cuixart, Leiter der Kulturvereinigung Omnium Cultural, wurden zu jeweils neun Jahren Haft verurteilt. Gegen drei weitere Angeklagte wurden Geldstrafen in Höhe von 60.000 Euro verhängt. Gegen den ins Exil geflohenen Ex-Regionalpräsidenten Carles Puigdemont wurde erneut ein internationaler Haftbefehl erlassen.