Entsetzen in England nach Rassismus-Vorfällen in Bulgarien
Die rassistischen Vorfälle im EM-Qualifikationsspiel zwischen Bulgarien und England in Sofia haben auf der Insel für Entsetzen, aber auch Genugtuung gesorgt. Umgehend forderte der englische Verband FA Untersuchungen durch die UEFA. FA-Präsident Greg Clarke nannte das Geschehen eine der schrecklichsten Nächte, die er jemals im Fußball gesehen habe. Die „Three Lions“ gewannen die Partie mit 6:0.
Englands Nationalcoach Gareth Southgate zeigte sich am Montagabend trotz des klaren Sieges betroffen. „Wir wissen, dass dies eine inakzeptable Situation ist, aber ich glaube, wir haben es geschafft, zwei Antworten zu geben. Indem wir das Spiel gewonnen haben und indem wir alle auf die Situation aufmerksam gemacht haben, als das Spiel zweimal gestoppt wurde“, sagte er. Southgate war „unglaublich stolz“ auf seine Spieler. „Sie wollen Stories im Fußball schreiben, aber sie waren auch Teil von etwas, was denke ich größer ist.“
Das Spiel war in der ersten Spielhälfte zweimal wegen rassistischer Äußerungen von bulgarischen Fans unterbrochen worden, mehrfach wurde von einheimischen Zuschauern auf der Tribüne der Hitlergruß gezeigt. Tyrone Mings hatte sich bei seinem Länderspiel-Debüt mehrfach beim kroatischen Schiedsrichter Ivan Bebek beschwert, dass sein Teamkollege Raheem Sterling bei jeder Ballberührung mit Affenlauten von der Tribüne diskreditiert wurde. Die Beleidigungen waren „ziemlich klar auf dem Platz zu hören“, sagte Mings, der selbst auch Opfer von Schmähungen wurde.
Der Stadionsprecher warnte nach Aufforderung durch den Referee vor dem Abbruch der Partie. Bebek brachte die Partie jedoch zu Ende. Englische Spieler hatten vor der Begegnung gedroht, den Rasen bei rassistischen Vorfällen zu verlassen. Das taten sie nach einem laut Mings gemeinsamen Entscheid allerdings nicht und feierten einen mühelosen Sieg. Marcus Rashford (7.), Ross Barkley (20., 32.), Sterling (45., 69.) und Harry Kane (85.) schossen die Tore. England führt in der Tabelle der Gruppe A mit 15 Punkten vor Tschechien (12).
Sterling schrieb auf Twitter, er habe Mitleid mit Bulgarien, „von solchen Idioten im Stadion repräsentiert zu werden“. Marcus Rashford erinnerte an Bulgariens Kapitän Iwelin Popow, der in der Pause auf dem Spielfeld blieb und das Gespräch mit den Fans suchte. Dem gegenüber stand allerdings, dass viele bulgarische Akteure angaben, von rassistischen Bemerkungen nichts mitbekommen zu haben. „Die Zuschauer haben sich benommen, ich habe keine Beschimpfungen gehört“, meinte Torhüter Plamen Iljew. Teamchef Krassimir Balakow sprach von einem „sehr heiklen Thema“. Es sei sehr ungewöhnlich, wie Rassismus im Fußball interpretiert werde. „Ich habe absolut nichts gehört“, meinte der ehemalige Weltklasse-Spieler Balakow weiter. Im Gegenteil hätten sich englische Fans ungebührend gegen bulgarische verhalten. „Ich habe in der zweite Halbzeit Wörter gehört, die ich unakzeptabel finde.“
Die britische Regierung von Premierminister Boris Johnson verurteilte die rassistischen Vorfälle in Sofia. Man fordere von der Europäischen Fußball-Union UEFA eine schnelle Untersuchung und harte Strafen, sagte ein Sprecher des Premierministers am Dienstag der Nachrichtenagentur PA. „Der Rassismus, den wir gestern Abend gesehen und gehört haben, war abscheulich und hat weder im Fußball noch irgendwo anders einen Platz“, betonte der Regierungssprecher.
Der Präsident des bulgarischen Fußballverbandes hat Rücktrittsforderungen indes zurückgewiesen. Borislaw Michailow wolle seinen Posten beibehalten und der Staat habe kein Recht, das zu verlangen, sagte ein Verbandssprecher am Dienstag dem Staatsradio in Sofia. Eine Rücktrittsforderung an Michailow kam direkt von Regierungschef Boiko Borissow, der als leidenschaftlicher Fußball-Fan gilt. „Es ist unakzeptabel für Bulgarien, das eines der tolerantesten Länder der Welt ist, mit Rassismus und Xenophobie in Zusammenhang gebracht zu werden“, schrieb Borissow in einem Statement.
Das Exekutivkomitee des Fußballverbandes will am Freitag zu einer Sitzung zusammenkommen. Die Partie gegen England war bereits vor teilweise leeren Rängen ausgetragen worden, weil bulgarische Fans schon in den Spielen gegen Tschechien und den Kosovo im Juni durch rassistische Äußerungen negativ aufgefallen waren.
Die FIFA geht davon aus, so früh wie möglich über die relevanten Entscheidungen durch die Europäische Fußball-Union (UEFA) in diesem speziellen Fall informiert zu werden. „Das würde auch die Ausweitung von Sanktionen weltweit ermöglichen“, hieß es in einer Stellungnahme am Dienstagabend.
Am Abend zuvor war es bei der 0:6-Niederlage der Bulgaren gegen England zu rassistischen Vorfällen gekommen. Unter anderem wurde der Hitler-Gruß von Anhängern der Gastgeber gezeigt. Die UEFA erhob auch deswegen am Dienstag Anklage gegen den bulgarischen Verband.
„Wir sagen so oft, dass es im Fußball keinen Platz gibt für Rassismus, aber dennoch sehen wir uns diesem Problem noch immer ausgesetzt in unserem Sport so wie auch in der Gesellschaft“, sagte FIFA-Präsident Gianni Infantino. Er sprach von einer „abscheulichen Krankheit“, die in manchen Teilen der Welt nur noch schlimmer würde.
Infantino rief die Fußballverbände auf, neue, stärkere und effektivere Wege zu finden, um den Rassismus im Fußball auszulöschen. Als erste Maßnahme schlug er vor, dass alle Wettkampforganisatoren Regeln in Kraft setzen sollten, um diejenigen lebenslang aus den Stadien zu verbannen, die wegen rassistischen Verhaltens bei einem Fußballspiel für schuldig befunden würden. „Die FIFA kann solche Verbannungen dann weltweit aussprechen“, sagte Infantino.