Brexit-Gespräche zwischen Hoffnung und Skepsis

Im Verhandlungsendspurt über ein Brexit-Abkommen schwanken die Erwartungen zwischen Hoffnung und Skepsis. Nach stundenlangem Ringen bis in die Nacht nahmen die Verhandlungsteams am Mittwochvormittag ihre Gespräche in Brüssel wieder auf. Beide Seiten hatten Diplomaten zufolge am Dienstag begonnen, eine mögliche Einigung in einen Rechtstext zu übertragen. Bezüglich Nordirland sind noch Fragen offen.

Es gebe „nicht mehr viele Punkte“ zu klären, sagte ein EU-Diplomat in der Früh. Diese seien aber „sensibel“. Bei der künftigen Lösung zur Vermeidung von Grenzkontrollen zur britischen Provinz Nordirland poche die EU auf den Schutz ihres Binnenmarkts, um zu verhindern, dass Waren von außerhalb der Union unkontrolliert auf den europäischen Markt kommen.

Die Zeichen schienen auf einen zusätzlichen Brexit-Sondergipfel vor Monatsende, dem Ablauf der britischen Austrittsfrist, zu stehen. Für die EU-Staats- und Regierungschefs sei auch die Haltung des Londoner Unterhauses am 19. Oktober entscheidend, die Sitzung findet einen Tag nach dem regulären EU-Gipfel statt, sagte ein EU-Diplomat am Mittwoch in Brüssel.

Klarheit erhofften sich die EU-Staaten von einem Briefing des EU-Chefunterhändlers Michel Barnier um 14.00 Uhr zum Verhandlungsstand. EU-Ratspräsident Donald Tusk führe zusätzlich noch Telefongespräche mit dem britischen Premier Boris Johnson und dem irischen Regierungschef Leo Varadkar.

Eine mögliche weitere Fristverschiebung für Großbritannien wäre nichts, was von den EU-Botschaftern zu entscheiden wäre, sagte ein ranghoher Diplomat. Dies würde für einen weiteren Brexit-Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs im Oktober sprechen.

Der irische Regierungschef Varadkar dämpfte Erwartungen auf einen Durchbruch bei den Brexit-Gesprächen noch am Mittwoch. Es gebe „viele Probleme, die noch gelöst werden müssen“, sagte er in Dublin. Zugleich hob der Premier hervor: „Ich bin überzeugt, dass alle Seiten ernsthaft ein Abkommen bis Ende des Monats wollen.“

Er habe in der Früh mit dem britischen Premier Johnson gesprochen, sagte Varadkar. Er sei überzeugt, dass alle Parteien ernsthaft an einem Deal arbeiteten. Wenn es diesen nicht mehr diese Woche gebe, dann komme er bis Ende des Monats zustande.

Gibt Barnier am Nachmittag Grünes Licht, könnte sich der EU-Gipfel mit einer möglichen Einigung befassen. Die Staats- und Regierungschefs würden dabei entscheiden, ob sich der gefundene Kompromiss innerhalb der von ihnen vorgegebenen roten Linien bewegt.

Selbst bei einem Durchbruch in den Gesprächen zwischen London und Brüssel bleibt die Frage, ob Premier Johnson das Abkommen dann auch durch das britische Unterhaus bekommt. Brexit-Hardliner sind strikt dagegen, dass Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs stattfinden, um das Grenzproblem zum EU-Mitglied Irland zu lösen. Insbesondere die mit Johnsons konservativen Tories verbündete nordirische DUP gilt hier als Unsicherheitsfaktor. Nach Einschätzung des früheren konservativen Brexit-Ministers David Davis könnten sich auch viele Tory-Abgeordnete „danach richten, was die DUP macht“, wie er am Mittwoch der BBC sagte.

Nach derzeitigem Stand soll Großbritannien die EU am 31. Oktober verlassen. In Brüssel wird selbst bei einem Abkommen eine „technische Verlängerung“ beim Brexit als wahrscheinlich betrachtet. Denn die Zeit, um eine Vereinbarung in den Parlamenten zu ratifizieren, gilt bis Ende Oktober schon jetzt als zu knapp.