US-Vizepräsident Pence auf Nordsyrien-Vermittlermission

US-Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo wollen am Donnerstag in Ankara im Nordsyrien-Konflikt zwischen der Türkei und Kurdenmilizen vermitteln. Pence brach am Mittwochabend von Washington in Richtung Ankara auf. Am Donnerstag ist ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geplant.

US-Präsident Donald Trump forderte die türkische Regierung zu konstruktiven Verhandlungen mit der US-Delegation auf und drohte andernfalls erneut mit harten Wirtschaftssanktionen. Zugleich machte er deutlich, der Konflikt in Nordsyrien sei nicht das Problem der USA. In der Heimat gerät Trump wegen seines Kurses in dem Konflikt immer stärker unter Druck.

Die türkische Militäroffensive in Nordsyrien läuft seit einer Woche. Sie richtet sich gegen die Kurdenmiliz YPG, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation. Die YPG-Kurdenmilizen waren im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ein enger Verbündeter der USA.

Nach Schätzungen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind seit Beginn der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien mehr als 300.000 Menschen aus der Grenzregion geflüchtet. Wie die in London ansässige Organisation mitteilte, floh die Mehrzahl aus den umkämpften Gebieten um die syrischen Städte Tal Abyad und Kobane sowie aus der syrischen Provinz Hasaka.

Die Amerikaner wollen eine Waffenruhe in dem Konflikt erreichen. Die Chancen, damit in Ankara weiterzukommen, dürften jedoch gering sein. Erdogan hatte in der Nacht auf Mittwoch bereits klargestellt, dass ein Waffenstillstand nicht infrage komme, solange das von ihm ausgerufene Ziel nicht erreicht sei: Die Türkei will entlang der syrisch-türkischen Grenze eine sogenannte Sicherheitszone einrichten und die Kurdenmilizen vertreiben, die dort ein großes Gebiet kontrollieren.

Erdogan schloss am Mittwoch außerdem Verhandlungen mit der Gegenseite aus. Es gebe Anführer, die vermitteln wollten, aber die Türkei setze sich nicht mit „Terroristen“ an einen Tisch, sagte er.

Der einflussreiche republikanische Senator Lindsey Graham beklagte, Trumps Aussage, der Konflikt sei nicht Sache der USA, untergrabe die Vermittler-Mission von Pence und Pompeo vollkommen. Graham ist eigentlich ein Vertrauter des US-Präsidenten, liegt mit ihm in der Syrien-Frage aber fundamental über Kreuz. Trump ist seit Tagen massiver Kritik - auch und gerade aus den Reihen seiner Republikaner - ausgesetzt, er habe mit dem Abzug amerikanischer Soldaten aus Nordsyrien den Weg für Erdogans Militäroffensive geebnet und die Kurden schändlich im Stich gelassen.

Der US-Präsident weist die Vorwürfe zurück und argumentiert, er wolle amerikanische Soldaten aus den „endlosen Kriegen“ zurückholen. Am Mittwoch betonte er erneut, er habe Ankara keineswegs grünes Licht für die Militäraktion gegeben, sondern vielmehr eine harte Ansage gemacht. Dazu habe er Erdogan auch einen Brief geschrieben.

Der Fernsehsender Fox News veröffentlichte kurz darauf eine Kopie des Schreibens, dessen Echtheit das Weiße Haus nach Angaben anderer US-Medien bestätigte. Datiert ist der Brief auf den 9. Oktober - also jenen Tag, an dem die Türkei mit ihrer Militäraktion begann. Trump rief Erdogan in dem Brief auf eigenwillige Weise zu einer friedlichen Lösung auf. Sollte er sich allerdings der Tötung Tausender Menschen schuldig machen, werde die US-Regierung die türkische Wirtschaft zerstören.

Die kurdische Seite sei zu Verhandlungen bereit, schrieb Trump demnach weiter. „Sie können ein großartiges Abkommen schließen.“ Und er ermahnte Erdogan: „Seien Sie kein harter Kerl. Seien Sie kein Narr!“ Der Brief endet mit den Worten: „Ich werde Sie später anrufen.“ In sozialen Medien stieß das Schreiben auf viel Spott.

Ernsten Widerstand gegen Trumps Kurs gibt es im US-Kongress. Das Repräsentantenhaus verurteilte den von ihm angeordneten Truppenabzug aus Nordsyrien am Mittwoch mit großer Mehrheit. 354 Abgeordnete - darunter viele Republikaner - stimmten für eine entsprechende überparteiliche Resolution, nur 60 votierten dagegen.

Aus Protest gegen die türkische Militäroffensive in Nordsyrien drangen unterdessen am Donnerstag rund zehn Demonstranten ins türkische Konsulat in der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki ein. Wie der Staatsrundfunk (ERT) und mehrere örtliche Nachrichtenportale unter Berufung auf Polizeikreise weiter berichteten, gaben sich die Demonstranten zunächst als Besucher des Konsulats aus. Nach Betreten des Hofes des Konsulats fingen sie an, Parolen gegen die türkische Militäraktion in Nordsyrien und für die Kurden zu skandieren. Eine linksautonome Organisation Namens „Rubikon“ und andere Autonome Gruppierungen übernahmen die Verantwortung für Protestaktion mit einer Erklärung im Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Polizei griff zunächst nicht ein, weil das Konsulat als türkischer Boden gilt. Polizeibeamte sagten Reportern vor Ort, die Demonstranten hätten nicht randaliert. Sie sollten nach Verlassen des Konsulats in Polizeigewahrsam genommen werden. Eines der Gebäude des Konsulats der Türkei in Thessaloniki ist das Geburtshaus des Gründers der Türkischen Republik, Kemal Atatürk. Es ist ein Museum, das jedes Jahr von Tausenden politisch und weltlich orientierten Besuchern hauptsächlich aus der Türkei besucht wird.