EU und Großbritannien einigen sich auf neues Brexit-Abkommen

Großbritannien und die EU haben sich auf einen neuen Brexit-Vertrag verständigt. Dies teilten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der britische Premier Boris Johnson am Donnerstag mit. Das britische Parlament solle die Vereinbarung am Samstag absegnen, sagte Johnson. Mit dem Vertrag gewinne Großbritannien die Kontrolle über den Prozess zurück. Juncker nannte die Vereinbarung „fair“.

Das neu ausgehandelte Abkommen zum Brexit schafft nach den Worten von EU-Chefunterhändler Michel Barnier Rechtssicherheit. Es werde eine Übergangsphase bis Ende 2020 geben, sagte Barnier am Donnerstag in Brüssel. Eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sei ausgeschlossen.

Nordirland werde dazu begrenzt weiter EU-Regeln unterliegen und bilde das Eingangstor in den EU-Binnenmarkt. Zugleich werde die Provinz aber auch der britischen Zollhoheit unterliegen. Damit sei ein faires Abkommen gefunden, um einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu sichern. Zugleich sei der Weg geebnet für ein Handelsabkommen der EU mit Großbritannien, in dem es weder Zölle noch Quoten gebe, sagte Barnier.

Der britische Premierminister Johnson ist laut Barnier zuversichtlich, für die neue Vereinbarung die Zustimmung des britischen Unterhauses zu bekommen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte mit Johnson am Vormittag telefoniert. Barnier hatte der Unterredung beigewohnt.

„Es ist richtig, dass wir schon Erfahrungen gemacht haben“, deutete Barnier an, als ein Journalist fragte, ob er glaube, dass eine Mehrheit zustande komme. Der Austrittsvertrag war in der Vergangenheit drei Mal vom britischen Parlament abgelehnt worden. Die nordirische Unionistenpartei DUP hatte am Donnerstag umgehend erklärt, den ausgehandelten Brexit-Deal nicht unterstützen zu können.

Die DUP bleibe bei ihrer ablehnenden Haltung, sagte ein Parteisprecher. Das britische Parlament muss der zwischen der EU und der Regierung in London erzielten Vereinbarung zustimmen. Bisher wurden die regierenden Konservativen, die über keine eigene Mehrheit verfügen, im britischen Unterhaus von der DUP unterstützt.

Es sei sein Temperament eines Bergbewohners, nüchtern zu bleiben, sagte Barnier. „Wir haben unsere Arbeit gemacht.“ Es läge am britischen Parlament, eines Tages seine Verantwortung zu übernehmen. Es sei nicht die Aufgabe der EU, zu intervenieren.

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EU-Kommissionspräsident Juncker will die neue Vereinbarung über einen geregelten Austritt und die künftigen Beziehungen am Donnerstag dem Europäischen Rat vorstellen, der diese annehmen soll. Dann plant er ein Statement zur Einigung auf einen Brexit-Vertrag.

Johnson erklärte, mit der Vereinbarung erhalte das Vereinigte Königreich „die Kontrolle zurück“. „Das Parlament sollte nun den Brexit am Samstag vollenden.“ Dann könne sich Großbritannien „anderen Prioritäten“ wie den Lebenshaltungskosten, dem Gesundheitssystem (NHS), dem Kampf gegen Verbrechen und der Umweltpolitik zuwenden.

Der Chef der größten britischen Oppositionspartei, Jeremy Corbyn, lehnt das neue Brexit-Abkommen unterdessen ab. „Es scheint, dass der Premierminister einen noch schlechteren Deal verhandelt hat als (seine Amtsvorgängerin) Theresa May“, teilte der Labour-Chef am Donnerstag mit.

Das Parlament solle das Abkommen, das Premierminister Boris Johnson mit der EU ausgehandelt hat, zurückweisen. Es gefährde unter anderem die Sicherheit von Lebensmitteln, den Umweltschutz und die Rechte von Arbeitnehmern.

Corbyn sprach von einem „Ausverkauf“. Das neue Abkommen könne Großbritannien nicht vereinen. Erneut forderte er ein zweites Brexit-Referendum. Die Briten hatten vor etwa drei Jahren mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt.

Der Chef der britischen Brexit Party, Nigel Farage, hält ebenfalls nichts von dem neuen EU-Austrittsabkommen. „Ich denke einfach, es sollte abgelehnt werden“, sagte Farage am Donnerstag in einem BBC-Interview. Der Deal bedeute keinen echten Austritt Großbritanniens aus der EU.

Großbritannien werde durch den Vertrag verpflichtet, sich in einer ganzen Reihe von Politikfeldern an der EU zu orientieren. Farage warb stattdessen für einen Austritt ohne Deal.