Vereinzelte Kämpfe in Nordsyrien trotz Waffenruhe
Trotz der zwischen den USA und der Türkei ausgehandelten Waffenruhe sind die Kämpfe zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Milizen in Nordsyrien offenbar nicht vollkommen eingestellt worden. In der Grenzstadt Ras al-Ain gebe es „vereinzelte“ Gefechte, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitagmorgen mit. Es seien Schüsse und Artilleriefeuer zu hören.
Die Türkei und die USA hatten am Donnerstag eine fünftägige Waffenruhe für Nordsyrien vereinbart. Die kurdischen Milizen und ihre Verbündeten kündigten an, die Vereinbarung zu akzeptieren. Die Zusage gelte für den Sektor zwischen Ras al-Ain und der Grenzstadt Tal Abyad, erklärten die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF).
Gemäß der Einigung zwischen den USA und der Türkei sollen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die den Großteil der SDF stellen, während der Waffenruhe aus einer 32 Kilometer breiten „Sicherheitszone“ im Grenzgebiet abziehen. Anschließend soll die Türkei nach US-Angaben ihren Einsatz vollständig beenden.
Die Türkei hatte vergangene Woche ihre Militäroffensive gegen die Kurden in Nordsyrien begonnen. Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurden bisher fast 500 Menschen getötet, darunter dutzende Zivilisten. Mehr als 300.000 Menschen wurden demnach vertrieben.
Eine hochkarätige US-Delegation hatten das Abkommen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag in mehrstündigen Verhandlungen erzielt. Die Gespräche mit der US-Delegation, der auch Außenminister Mike Pompeo und der US-Sonderbeauftragte für die Anti-IS-Koalition, James Jeffrey, angehörten, hatten in angespannter Atmosphäre begonnen.
Erdogan hatte vor Anreise der US-Delegation keinen Hehl daraus gemacht, dass er an einer Vermittlung im Konflikt sowie einer Waffenruhe kein Interesse habe. Die USA hatten zu Beginn der Woche Sanktionen gegen die Türkei verhängt.
Pence merkte an, dass sich die Türkei und die USA zusätzlich zu dem Abkommen über die Waffenruhe dazu verpflichtet hätten, den IS in Nordostsyrien gemeinsam zu schlagen. Dabei soll es auch um die Koordinierung von Maßnahmen zu Gefangenenlagern und zu Binnenflüchtlingen in vormals vom IS kontrollierten Gegenden gehen.
Kurdenmilizen hatten bisher auch Lager mit gefangen genommenen IS-Kämpfern bewacht. Vor der Einigung hatte es von kurdischer Seite geheißen, angesichts der türkischen Offensive hätten die von Kurden angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) den Kampf gegen den IS ausgesetzt. „Wir haben in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass der Kampf gegen den IS im Fall eines Angriffs des türkischen Staates für uns zur Nebensache wird“, zitierte die kurdische Nachrichtenagentur Firat den SDF-Kommandanten Maslum Abdi. „Dieser Fall ist nun eingetreten (...) Wir haben all unsere Aktivitäten gegen den IS eingefroren“, sagte Abdi dem kurdischen Fernsehsender Ronahi am späten Mittwochabend.
Der IS habe sich nun an vielen Orten neu organisiert, warnte Abdi. Rund 12.000 IS-Mitglieder und ihre Angehörigen befänden sich noch in der Region. Auch die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition schätzte die Zahl der IS-Angehörigen in Syrien und im Irak im Juni noch auf 14.000 bis 18.000 Personen.
Die Türkei hatte vor rund einer Woche einen Militäreinsatz gegen die kurdische YPG-Miliz in Nordsyrien begonnen. Die Türkei betrachtet die YPG, die an der Grenze zur Türkei ein großes Gebiet kontrolliert, als Terrororganisation. Für die USA waren die Kurdenkämpfer dagegen lange Verbündete im Kampf gegen die Terrormiliz IS. Der türkische Einsatz war international auf scharfe Kritik gestoßen, teilweise aber erst durch einen US-Truppenabzug aus dem Grenzgebiet ermöglicht worden.