EU-Gipfel findet keine gemeinsame Position zu Balkanstaaten
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben im Streit um den Start von EU-Beitrittsverhandlungen mit den Balkanstaaten Nordmazedonien und Albanien keine Einigung erzielt. Es gebe heute keine Schlussfolgerungen, sagte der finnische Ministerpräsident Antti Rinne in der Nacht auf Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel. Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein zeigte sich enttäuscht.
Ob die Gespräche an diesem Freitag am zweiten Gipfeltag fortgesetzt werden, war zunächst unklar. Rinne erklärte, man wolle weiterreden, er sei sich aber nicht sicher, ob es noch zu einer Einigung kommen könne. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sagte hingegen, man werde bei einem späteren EU-Gipfel auf das Thema zurückkommen. Österreich unterstützt die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit beiden Staaten.
Diplomatenangaben zufolge scheiterte die Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien nur am französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Gegen Albanien hätten auch die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und ihr niederländischer Kollege Mark Rutte Vorbehalte geäußert. Der dänische Vorschlag, dann nur Beitrittgespräche mit Nordmazedonien zu beginnen, wurde auch abgelehnt, meldete die Nachrichtenagentur Reuters.
Länder wie Deutschland halten den Widerstand hingegen für falsch und gefährlich. Sie argumentieren, dass die beiden Balkanstaaten die von der EU gestellten Voraussetzungen für den Start der Beitrittsverhandlungen erfüllt hätten und deswegen die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel stehe.
Zudem wird befürchtet, dass sich Albanien und Nordmazedonien verstärkt Ländern wie Russland, China oder der Türkei zuwenden könnten und Reformen für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Gefahr geraten. Als problematisch gilt dies vor allem, weil die Balkanstaaten inmitten der EU liegen und an Mitgliedsländer wie Griechenland, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Kroatien grenzen.
Bitter ist der Streit zwischen den EU-Staaten vor allem für Nordmazedonien, weil das rund 2,1 Millionen Einwohner zählende Land für die Perspektive auf Beitrittsverhandlungen jüngst sogar seinen Namen von Mazedonien in Nordmazedonien geändert hatte. Die griechische Regierung hatte dies gefordert, weil auch eine nordgriechische Provinz Mazedonien heißt und Gebietsansprüche befürchtet wurden.
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bedauert, dass die Beitrittsgespräche der EU mit Albanien und Nordmazedonien noch nicht starten. „Das ist sehr bedauerlich. Ich und andere Staaten haben sich sehr eingesetzt für den Beginn der Beitrittsverhandlungen“, sagte sie vor Beginn des zweiten EU-Gipfeltages am Freitag in Brüssel.
„Nordmazedonien und Albanien haben die Bedingungen der Kommission erfüllt und hätten daher Anspruch auf Beitrittsverhandlungen. Es ist an einigen Staaten gescheitert“, erläuterte die Bundeskanzlerin. „Ich halte es für die Solidarität in der Union und auch für die Sicherheit in der Region für kein gutes Zeichen.“
Bierlein tauschte sich am Freitag mit den Regierungschefs der beiden Balkanstaaten aus. Dabei habe Bierlein ihnen ihre Enttäuschung über die gestrige Entwicklung entgegengebracht. „Sie sind ebenfalls sehr enttäuscht. Ich habe versichert, dass wir weiterhin voll unterstützen“, sagte Bierlein. Beide Länder hätten viele Voraussetzungen erfüllt.