Vereinzelte Kämpfe in Nordsyrien trotz Waffenruhe
Trotz der zwischen den USA und der Türkei ausgehandelten Waffenruhe sind die Kämpfe zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Milizen in Nordsyrien offenbar nicht vollkommen eingestellt worden. In der Grenzstadt Ras al-Ain gebe es „vereinzelte“ Gefechte, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitagmorgen mit. Es seien Schüsse und Artilleriefeuer zu hören.
Die Türkei und die USA hatten am Donnerstag eine fünftägige Waffenruhe für Nordsyrien vereinbart. Die kurdischen Milizen und ihre Verbündeten kündigten an, die Vereinbarung zu akzeptieren. Die Zusage gelte für den Sektor zwischen Ras al-Ain und der Grenzstadt Tal Abyad, erklärten die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF).
Gemäß der Einigung zwischen den USA und der Türkei sollen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die den Großteil der SDF stellen, während der Waffenruhe aus einer 32 Kilometer breiten „Sicherheitszone“ im Grenzgebiet abziehen. Anschließend soll die Türkei nach US-Angaben ihren Einsatz vollständig beenden.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf der Türkei Kriegsverbrechen in Nordsyrien vor. Die türkischen Streitkräfte und ihre syrischen Verbündeten hätten bei ihrer Militäroffensive gegen die kurdische YPG „Kriegsverbrechen, Massentötungen und unrechtmäßige Angriffe“ verübt, teilte Amnesty am Freitag mit.
Die Organisation erklärte, über „erdrückende Beweise für willkürliche Angriffe in Wohngebieten“ zu verfügen. Amnesty-Generalsekretär Kumi Naidoo bescheinigte der türkischen Armee und ihren syrischen Verbündeten eine „vollkommene Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben von Zivilisten“. Dem Amnesty-Bericht zufolge griffen die von Ankara kontrollierten Streitkräfte unter anderem ein Wohnhaus, eine Bäckerei und eine Schule an.
Amnesty beruft sich auf Videoaufnahmen sowie Aussagen von 17 Zeugen, unter ihnen Rettungskräfte, medizinisches Personal, humanitäre Helfer, Vertriebene und Journalisten. Ein kurdischer Mitarbeiter des Roten Kreuzes sagte demnach, er habe nach einem türkischen Luftangriff am 12. Oktober in der Nähe einer Schule verkohlte Leichen aus einer Ruine getragen. Die türkische Regierung kommentierte den Amnesty-Bericht zunächst nicht.
Nach dem Abzug von US-Truppen aus Nordsyrien hatte die Türkei vergangene Woche ihre Militäroffensive in dem von den Kurden kontrollierten Gebiet begonnen. Am Donnerstag einigten sich Ankara und Washington auf eine fünftägige Waffenruhe. In dieser Zeit sollen sich die kurdischen Kämpfer aus einer von der Türkei angestrebten „Sicherheitszone“ in Nordsyrien zurückziehen. Anschließend soll die Türkei nach US-Angaben ihren Einsatz vollständig beenden.
Seit Beginn der Offensive wurden nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte fast 500 Menschen getötet, darunter mindestens 72 Zivilisten. Mehr als 300.000 weitere Menschen wurden demnach vertrieben.