Gletscher-Ehe: Pitztaler werben bei NGOs um Verständnis für Lage
Zu einer Diskussionsveranstaltung in Innsbruck zum Thema Gletscherzusammenschluss kam auch eine Pitztaler Delegation.
Pitztal, Innsbruck –Das Thema bewegt: Gut 140 – vorwiegend junge – Interessierte hatten sich am Donnerstagabend in Innsbruck eingefunden, um in Kurzreferaten von Umweltorganisationen über den Zusammenschluss Pitztal-Ötztal informiert zu werden. Zu diesem Termin war eine Pitztaler Delegation unter der Leitung von Bürgermeister Elmar Haid aus St. Leonhard angereist, um sich einerseits Fragen zu stellen und andererseits die Sicht der Wirtschaftstreibenden im Tal darzulegen. „Es war sehr ruhig und sachlich“, fasst BM Haid zusammen, „wir hatten eine Gesprächsbasis.“ Und auch der Sprecher der BI Feldring, Gerd Estermann, erklärt, dass die Anwesenheit der Pitztaler Delegation „die Diskussion sehr belebt hat“.
Österreichischer Alpenverein, WWF Österreich, die Naturfreunde Österreich und die BI Feldring hatten zur Veranstaltung geladen. Markus Welzl als stellvertretender Landesleiter des Tiroler ÖAV sieht das Gletscherprojekt als Neuerschließung. Dieser massive Eingriff sei „aus Sicht des Alpenvereins nicht genehmigungsfähig“. Auf die zu erwartenden Umweltschäden wies Josef Schrank seitens des WWF hin. Die Limnologin Birgit Sattler von den Naturfreunden warnte wiederum vor dem Eintrag von Mikroplastik durch die Abdeckung von Gletscherflächen bzw. die Störung sensibler Ökosysteme am Gletscher. Und Gerd Estermann berichtete seinerseits vom Erfolg der Online-Petition, die gestern Nachmittag bereits gut 11.700 Unterzeichner zählte.
Die Pitztaler versuchten wiederum ihre Befürwortung des Gletscherzusammenschlusses zu argumentieren. Die Bevölkerungszahl in St. Leonhard ist seit 2001 von 1530 auf aktuell 1380 „stark rückläufig“, so BM Haid, die Bettenanzahl sei ebenfalls gesunken. Als flächenmäßig drittgrößte Gemeinde Tirols gebe es aber viele Aufgaben für die Gemeinde, zählt er 27 Quellen, 30 Kilometer Straßen, 86 Lawinenstriche und allein heuer eine Million Euro an Kosten für die Räumung von Auffangbecken auf. Auch die mangelnde Infrastruktur im Tal streicht er hervor: „Wir haben in St. Leonhard keine Tankstelle und auch nur zwei kleine Greißler“, blickt er ins besser erschlossene Ötztal. Und: „Es geht mir nicht in erster Linie um die Gemeinde, sondern um die Wirtschaftstreibenden.“
Der Pitztaler Dorfchef betonte aber auch, dass das gesamte geplante Gletscherskigebiet samt Rifflsee nur ein einziges Prozent der Gemeindefläche ausmache. „St. Leonhard stellt außerdem 40 Prozent der Grundflächen im gesamten Naturpark Kaunergrat“, so Haid. Dazu kommen noch einmal 5000 Hektar Anteil am bestehenden Ruhegebiet. „Bitte kommt ins Pitztal und schaut es euch selber vor Ort an“, meinten Haid und seine Pitztaler Mitstreiter in Richtung der Zuhörer. Man sei immer offen für Alternativen, „aber wir leben zu 65 Prozent vom Wintertourismus und hauptsächlich im Herbst und Frühjahr durch den Gletscher“.
Estermann hielt in der Diskussion dagegen, dass die Abwanderung in St. Leonhard „wesentlich geringer ist als in der Tourismus-Hochburg Sölden“. Und bei der Wirtschaftslage vergleicht er die Budgets von Mötz und St. Leonhard mit etwa gleich vielen Einwohnern. Mötz hat einen Haushalt von 2,6 Mio. Euro, St. Leonhard 7,6 Mio. Euro – „so schlecht scheint es also den Pitztalern nicht zu gehen“. Haid kontert: „Wir haben nur 250.000 Euro frei verfügbare Mittel.“ (TT, pascal)