„Lienz“ kommt von den Laianken: Keltische Stätte beeindruckt Forscher
Zur Zeitenwende bevölkerte der keltische Stamm der Laianken in etwa das Gebiet des heutigen Osttirol. Am Klosterfrauenbichl errichteten die Kelten ein Heiligtum, dessen Ausmaß nicht nur Forscher beeindruckt.
Von Christoph Blassnig
Lienz –Der Leisacher Heimatforscher Josef Kalser hat der Wissenschaft in diesem Fall den Weg gewiesen. Spätestens nachdem Kalser auf Streifzügen am Hochstein mithilfe einer Metallsonde immer wieder auf Fragmente gestoßen war und dazu ein Buch präsentiert hatte, war das Interesse des Institutes für Archäologien in Innsbruck geweckt. Der passionierte Heimatforscher hatte unter anderem Teile einer Carnyx, einer keltischen Kriegstrompete, die mit ihrem dumpfen Dröhnen Feinde in Angst und Schrecken versetzen sollte, entdeckt. Das Denkmalamt und in der Folge die Universität wurden informiert. „Dieser Fund ist bisher einzigartig in Österreich, wie vieles andere auch, das wir am so genannten Klosterfrauenbichl inzwischen geborgen haben“, betont Grabungsleiter Gerald Grabherr die Bedeutung dieser Stätte. 2014 waren erstmals Wissenschafter zu Grabungen vor Ort, in den Sommermonaten 2018 und 2019 auch mit finanzieller Unterstützung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Das macht die Arbeit, die zugleich der Forschung und der Ausbildung unserer Studenten dient, eigentlich erst möglich“, sagt Grabherr, der sich mehr Mittel wünschen würde. Immerhin gehe es um eine Kultstätte, wie sie im gesamten römischen Reich bisher nirgendwo sonst nachgewiesen werden konnte. „Um das zu verdeutlichen: Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Spezialist aus London im Rahmen eines Aufenthaltes in Wien einen Abstecher nach Leisach in Osttirol macht, um bei Josef Kalser die Fundstücke der Carnyx zu begutachten, wie das heuer geschehen ist.“ Für das nächste Jahr hofft der wissenschaftliche Leiter auf die Ausdehnung der Grabungszeit von vier auf sechs Wochen. „Die Studenten arbeiten kostenlos, wenigstens ihre Unterkunft sollen sie nicht noch selbst berappen müssen.“
Es war das erste Jahrhundert vor Christi Geburt, als die Laianken das Gebiet des heutigen Osttirol bevölkert und den heutigen Klosterfrauenbichl für die Errichtung ihrer Kultstätte gewählt haben. „Auch wenn das Gebiet heute bewaldet ist: Dieser Ort ist etwas Besonderes“, schwärmt Grabherr. Genau zwischen den beiden Flüssen Drau und Isel am Westende des Talbodens erhebt sich der vorgelagerte Hügel. Von oben hatte man uneingeschränkte Sicht auf die Lienzer Dolomiten und bis zum Kärntner Tor. Da, wo sich heute die Stadt befindet, waren damals vermutlich Sumpf- und Aulandschaften, weshalb Siedlungen wohl etwas erhöht lagen. „Gute Siedlungsflächen von heute waren das auch damals schon.“ Geblieben ist von dem keltischen Stamm vermutlich der Name der Stadt Lienz, das lasse sich sprachwissenschaftlich nachweisen.
Die Römer dürften den Kelten im Zuge ihres Alpenfeldzuges die Herrschaft bald aus der Hand genommen haben. Die vorgefundene Kultstätte haben sie übernommen und umgebaut: Um Terrassen wurden weiß verputzte Begrenzungsmauern angelegt, die wohl schon von Weitem sichtbar waren. Es blieben Fragmente Hunderter kleiner Zinnfiguren erhalten.
„Eine Bronzestatue des Gottes Jupiter hat uns zuerst nur eine Hand aus der Erde zugestreckt, bevor wir sie ausgegraben haben“, beschreibt Grabherr einen der erstaunlichsten Funde des heurigen Jahres. Der Klosterfrauenbichl werde die Wissenschaft noch länger beschäftigen.
Ein Förderverein ist im Entstehen. Der Leisacher Heeresbedienstete Erich Fankhauser will die formale Gründung noch heuer umsetzen. „Die Grabungen sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen. In späterer Folge planen wir, Vorträge und Führungen zu organisieren.“ Die Kultstätte soll nach ihrer wissenschaftlichen Dokumentation auch für die Öffentlichkeit aufbereitet werden – wo, das ist noch offen. „Eine Möglichkeit wäre zudem die Einrichtung von Augmented-Reality-Angeboten vor Ort, bei denen das eigene Handy oder Tablet 3D-Grafiken einblenden kann“, führt Grabherr aus.
Die Stadt Lienz unterstütze die wissenschaftlichen Arbeiten ebenso wie das Dominikanerinnenkloster als Grundeigentümerin. „Diese Stätte könnte künftig auch zum Erlebnisberg Hochstein einen kulturellen Beitrag leisten“, meint der Wissenschafter. Die Stadt tritt für die Forscher außerdem offiziell als Förderwerberin auf. Für das nächste Jahr hat man beim Bundesdenkmalamt um einen Betrag von 91.000 Euro angesucht.