Hartmann und Springer als Zeugen im Burgtheater-Prozess
Mit Matthias Hartmann und Georg Springer haben am Dienstag im Prozess gegen die ehemalige kaufmännische Burgtheater-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky der im Zug der aufgeflogenen Finanzmisere an der Burg im März 2014 entlassene Burgtheater-Direktor sowie der frühere Aufsichtsratsvorsitzende und Chef der Bundestheater-Holding als Zeugen ausgesagt. Im Anschluss wurde auf den 27. Jänner vertagt.
Während sich Stantejsky wegen Untreue, Veruntreuung und Bilanzfälschung vor einem Schöffensenat verantworten muss und im Fall eines Schuldspruchs eine Strafe von bis zu zehn Jahren Haft zu gewärtigen hat, hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nach eingehender Prüfung sämtliche Verdachtsmomente gegen Hartmann und Springer fallen gelassen. Von inkriminierten bilanztechnischen Tricksereien - Produktionen, die längst nicht mehr gespielt wurden, wurden beispielsweise weiter in den Jahresabschlüssen erfasst, obwohl die Kulissen bereits vernichtet waren - und fragwürdigen monetären Vorgängen - das Burgtheater beglich für 23 Mitarbeiter Finanzschulden mittels Akonto-Zahlungen - hätten sie nichts mitbekommen, bekräftigten beide vor Gericht. Die Jahresabschlüsse habe die Geschäftsführung erstellt, wobei sie von Wirtschaftsprüfern von PricewaterhouseCoopers (PwC) „begleitet“ wurde, die nichts beanstandet hätten, meinte Springer. Er sei daher „nicht auf die Idee gekommen, dass ich nachschau, dass die dort die Wahrheit sagen“.
Hartmann verwies darauf, Stantejsky habe ihm von Anfang an erklärt, er habe sich als künstlerischer Chef um kaufmännische Angelegenheiten nicht zu kümmern.“Sie hat gemeint, alles was wir planen, ist schon im Budget“, hielt er fest. Dabei habe er nach Antritt seines Postens „Transparenz, wie Kosten entstehen“ eingefordert, weil das seiner Ansicht nach mit zu seinen Aufgaben gehörte. Ihm sei beschieden worden, „dass das unüblich ist“, schilderte Hartmann: „Im Scherz wurde ich ein deutscher Kontroll-Freak genannt.“
Stantejsky habe ihm „nur Tabellen gezeigt, die mehr als unverständlich waren“. Ihn habe „irritiert, dass ich nichts sehen konnte“. Oft habe er die Produktionskosten für Inszenierungen nicht bzw. erst nach Monaten herausbekommen: „Die Kosten hab‘ ich dann nicht verstanden. Die waren exorbitant hoch.“ Wenn man von Stantejsky Erklärungen verlangt habe, habe man so viele Worte zu hören bekommen, „dass man am Ende nicht verstanden hat, was man am Anfang gesagt hat.“ Aus diesem Grund habe auch der Aufsichtsrat des Burgtheaters zusehends „aufgehört, Fragen zu stellen“, behauptete Hartmann.
Die finanziellen Engpässe an der Burg habe er zu Beginn „überhaupt nicht, in keinster Weise“ gekannt, versicherte Hartmann. Erst in einer Aufsichtsrat-Sitzung im Jahr 2010 habe er von Verbindlichkeiten erfahren. Ihm sei klar gewesen, dass er dieser Entwicklung „entgegenwirken“ und „meine Steuerungselemente“ einsetzen müsse. Allerdings sei er in die Erstellung der Jahresabschlüsse nicht eingebunden gewesen: „Auch ein Vorsitzender eines Automobilkonzerns muss drauf vertrauen, dass der Jahresabschluss korrekt ist.“
Er habe sich vor allem um Einsparungen im Personalbereich und bei Bühnenbildern bemüht, legte Hartmann dar. „Aber die finanzielle Gebarung konnte mir nicht geläufig gemacht werden, wie ich es wünschte“, bilanzierte der Ex-Burg-Direktor. Um die finanzielle Entwicklung begreifen zu können, habe er schließlich mit Peter Raddatz einen Finanzberater beigezogen: „Der hat auch nicht verstanden, dass meine Performance so gut ist und sich das nicht im Ergebnis niederschlägt.“
Die Finanzlage der Bundestheater-Holding habe sich bereits seit 2001 in einem „alarmierenden“ Zustand befunden, gab Ex-Bundestheater-Holding-Chef Springer zu Protokoll. Man habe „beim Fleisch des Betriebs“ sparen müssen: „Wir sind mit allem heruntergefahren, wo es nur möglich war.“ Am Burgtheater habe Stantejsky hinsichtlich Kostensenkungen „öfters Ideen gehabt, wie man Probleme lösen könnte“. Die finanzielle Schieflage der Burg sei aber in jeder Aufsichtsrat-Sitzung diskutiert worden, weshalb man ab 2011 ein „Liquiditätsmonitoring“ empfohlen habe.
Dass er bzw. der Burgtheater-Aufsichtsrat der Angeklagten die viel zitierte „schwarze Null“ vorgegeben hätten, wies Springer zurück: „Das hat sich nur auf das Planbudget bezogen.“ Man habe zwar Wert auf eine ausgeglichene Bilanz gelegt, dem Burgtheater aber „ganz bewusst keine Vorgaben gegeben und ausdrücklich betont, es bleibt euch überlassen, ob ihr das über die Ausgaben oder die Einnahmen macht“. Stantejsky habe beruflich „kompetent, fachlich hervorragend, delegationsfeindlich bis zum Exzess“ und wie „ein Arbeitstier“ agiert, beschrieb der 73-Jährige die Angeklagte.
Von ihrer psychischen Erkrankung - Stantejsky zufolge litt sie ab 2010 an schweren Depressionen, ließ sich fast wöchentlich in einen Spital behandeln und nahm Psychopharmaka - hätten sie nichts mitbekommen, betonten die beiden Zeugen. „Das war nicht spürbar“, meinte Springer. Ihr Arbeitspensum sei jedoch enorm gewesen: „Der Arbeitsplatz war kaum zu sehen, weil so viele Unterlagen am Tisch gelegen sind. Und daneben.“ Er habe sich „Sorgen gemacht, ob man mit diesem Stil unbeschadet über die Runden kommt“, aber erst 2013 von ihrer angeschlagenen Gesundheit erfahren. Seine kaufmännische Geschäftsführerin sei „überlastet“ gewesen, hielt Hartmann fest: „Ihr Stress wurde immer mehr.“
Verteidigerin Isabell Lichtenstrasser möchte von einem psychiatrischen Sachverständigen überprüfen lassen, ob Stantejsky im inkriminierten Zeitraum überhaupt diskretionsfähig und damit herabgesetzt schuldfähig oder gar zurechnungsunfähig war. Ob einem entsprechenden Beweisantrag der Anwältin stattgegeben wird, dürfte sich in der nächsten Verhandlung entscheiden.
Hinsichtlich eines für die Strafbemessung wesentlichen Anklagepunkts skizzierte Hartmann, wie Stantejsky ihm zustehende Honorare zum Verschwinden brachte. Vor seinem Amtsantritt im Herbst 2009 bekam der designierte Burgtheater-Direktor 273.000 Euro zur Verfügung gestellt. Der Betrag setzte sich hauptsächlich aus Hartmanns Burg-Inszenierungen „Faust I“ und „Faust II“, Rechteabgeltungen für fünf Produktionen, die Hartmann vom Schauspielhaus Zürich mit nach Wien brachte, und Übersiedlungskosten zusammen. Stantejsky habe ihm „die Option“ aufgezeigt, „sich dieses Geld nicht sofort ausbezahlen zu lassen“, verriet Hartmann. Er habe sich entschlossen, den Betrag „als Forderung gegen das Burgtheater stehen zu lassen, weil ich mein Auslangen hatte und es mir bequem schien“. Er habe es „für seriöser“ gehalten, eine „Forderung gegen einen staatlich subventionierten Betrieb“ zu besitzen, als das Geld stante pede in bar zu kassieren.
Stantejsky habe ihm bezüglich der 273.000 Euro einen Depotschein ausgestellt. Er sei davon ausgegangen, dass sein Honorar „in einem Burgtheater-Safe“ verwahrt wurde: „Ich würde niemals Geld einer Privatperson anvertrauen.“ Stantejsky habe ihm gesagt, er möge zwei bis drei Tage vorher Bescheid geben, wenn er Bares benötige. Das habe er drei Mal gemacht. Als Stantejsky im Herbst 2013 vor die Tür gesetzt wurde, habe er sie gefragt, wie er nun an sein restliches Geld komme, gab Hartmann zu Protokoll. Da habe sie ihm „offenbart, dass dieses Geld nicht im Burgtheater ist“. Sie habe ihm angeboten, einen Teil der offenen 163.000 Euro gleich zurückzuzahlen. Der Rest sollte später folgen. Das sei ihm „undurchsichtig vorgekommen“, also habe er sich mit Stantejsky bei einem Anwalt getroffen. Dieser habe Stantejsky gefragt, ob sie das Geld veruntreut hätte: „Sie hat ‚Ja‘ gesagt.“
Die kaufmännische Geschäftsführerin hatte Hartmanns Honorare in ihrer Wohnung gebunkert und - ihrer in diesem Punkt geständigen Verantwortung zufolge - widmungswidrig verwendet. Während sie behauptet, damit Rechnungen für das Burgtheater beglichen zu haben, geht die WKStA allerdings davon aus, dass die Angeklagte damit ihre aufwendigen Lebenshaltungskosten bestritten hat.