Britischer Wahlkampf: Kritik an umbenannten Twitter-Account

Die Konservative Partei von Premierminister Boris Johnson ist wegen angeblicher Irreführung im britischen Wahlkampf ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Während des ersten TV-Duells in diesem Wahlkampf änderte die Pressestelle der Tories kurzfristig ihren offiziellen Twitter-Account „CCHQ Press“ in „factcheckuk“ um.

Dies könne leicht mit echten Faktencheck-Diensten wie Full Fact oder Fact Check verwechselt werden, monierte die unabhängige Organisation Full Fact am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter. „Es ist unangemessen und irreführend für die Pressestelle der Konservativen, ihren Twitter-Account während dieser Debatte in ‚factcheckUK‘ umzubenennen.“

Twitter kündigte für den Wiederholungsfall „entschlossene Gegenmaßnahmen“ an. Die Labour Party sprach von einem „lachhaften Versuch“ der Tories, die Zuschauer zu überlisten. „Man kann ihnen kein Wort glauben.“ Der Vorsitzende der Konservativen, James Cleverly, wies in einem BBC-Interview hingegen den Vorwurf der Irreführung zurück.

Auch Außenminister Dominic Raab, ein einflussreiches Mitglied der Tories, verteidigte das Vorgehen seiner Partei. Die Umbenennung habe eine „sehr gute, sofortige Widerlegung“ des „Unsinns“ der Labour Party ermöglicht, sagte Raab der BBC. Nach dem Ende der Debatte im Fernsehsender ITV am Dienstagabend und Protesten wegen der neuen Bezeichnung benannte die Pressestelle ihren Account wieder in den ursprünglichen Namen um.

Die Briten wählen am 12. Dezember ein neues Parlament. In der Debatte griff Johnson seinen Kontrahenten immer wieder scharf wegen dessen Versprechens eines zweiten Brexit-Referendums an. „Werden Sie für den Verbleib oder den Austritt werben?“, fragte Johnson. Er selbst präsentierte sich als Macher, der mit seinem nachverhandelten Brexit-Deal dem leidigen Thema bald ein Ende setzen will.

Die Labour Party will die Briten innerhalb von sechs Monaten in einem Referendum vor die Wahl zwischen einem Brexit mit enger Bindung an die EU und dem Verbleib in der Staatengemeinschaft stellen. Corbyn will sich aber nicht festlegen, ob er für oder gegen den Austritt werben würde.

Der Oppositionsführer blieb auch eine klare Antwort schuldig, wie er zu einer zweiten Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands steht. Will er Premierminister werden, ist er wohl auf die Unterstützung der Schottischen Nationalpartei (SNP) angewiesen, die ein baldiges neues Referendum über eine Loslösung von Großbritannien zur Bedingung macht.

Corbyn konterte mit dem Vorwurf, Johnson wolle den chronisch unterfinanzierten Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) einem Handelsabkommen mit den USA opfern. Den Plan des Premierministers, die EU am 31. Jänner 2020 mit seinem nachverhandelten Abkommen zu verlassen, bezeichnete er als „Unsinn“. Johnson werde „mindestens sieben Jahre“ zum Aushandeln eines Handelsdeals mit Washington brauchen. Auch die Übergangsphase bis Ende 2020 werde nicht ausreichen, um sich auf ein Abkommen über die künftigen Beziehungen mit der EU zu einigen.

Punkten konnte der Labour-Chef vor allem mit seiner Antwort auf die Frage, ob der zweitälteste Sohn von Queen Elizabeth II., Prinz Andrew, seiner Aufgabe gerecht werde. Andrew muss sich derzeit wegen seines Verhältnisses zu dem verstorbenen US-Geschäftsmann Jeffrey Epstein rechtfertigen, der wegen sexueller Ausbeutung Minderjähriger angeklagt war. Auch gegen Andrew gibt es Vorwürfe. „Niemand sollte über dem Gesetz stehen“, sagte Corbyn. Wichtiger als der Prinz seien aber die Opfer Epsteins, denen man sich nun zuwenden müsse, so der Oppositionsführer.

In dem Fernsehduell beantworteten die beiden Parteichefs vor einem Live-Publikum in Manchester Fragen von Zuschauern. Dabei ging es unter anderem um das Vertrauen in Politiker, die Zukunft Schottlands und auch die britische Monarchie.

Eine Umfrage des Instituts YouGov nach der Debatte sah Johnson und Corbyn nahezu gleichauf. Für 51 Prozent der Befragten ging der Premier als Sieger aus dem Aufeinandertreffen hervor, für 49 Prozent der Oppositionsführer. Dieses Ergebnis lässt sich durchaus als Erfolg für Corbyn werten, dessen Partei laut einer Umfrage von Britain Elects bei gut 28 Prozent der Stimmen liegt - zehn Prozentpunkte hinter den Tories.

Es war die erste Fernsehdebatte vor der vorgezogenen Parlamentswahl. Kleinere Parteien waren diesmal nicht eingebunden. Sie hatten vor Gericht vergeblich versucht, eine Teilnahme zu erzwingen. Bei folgenden Fernsehdebatten sind sie aber dabei, bevor sich Johnson und Corbyn rund eine Woche vor dem Urnengang noch einmal einem Duell in der BBC stellen.