„Ephemere“ von Julia Bornefeld in Innsbruck: Eleganz statt Mut
Mit „Ephemere“ von Julia Bornefeld führt die Diözese Innsbruck den begrüßenswerten Dialog zwischen Kirche und Gegenwartskunst fort.
Von Barbara Unterthurner
Innsbruck –40.000 Münzen formen den neuen Kronleuchter in der Innsbrucker Spitalskirche. Dabei ist „Ephemere“ nicht, wie es sich zunächst vermuten lässt, ein Art-déco-Stück der Jahrhundertwende, sondern eine zeitgenössische Kunstintervention der in Kiel geborenen und in Bruneck lebenden Künstlerin Julia Bornefeld.
Gefertigt wurde die Arbeit 2015 in einer Kronleuchter-Manufaktur in Venedig, die für Bornefeld die Glaskristalle durch Ein-Cent-Münzen ersetzte. Mit Unterstützung der Innsbrucker Galerie Thoman, die die Künstlerin auch vertritt, schafften es die 150 Kilo Kupfergeld in Form eines Leuchters jetzt in die Kirche. Reiner Geldwert: 400 Euro. Durch die manuelle Verarbeitung und das Gemeinschaftsprojekt entstehe aber ein viel höherer Symbolwert, so Bornefeld im Gespräch.
Das entspricht den Assoziationen, die Kirche gerne hört: Für Kirchenrektor Jakob Bürgler zähle wie im Kronleuchter auch der einzelne, bisweilen wertlose Beitrag, der als Teil eines großen Ganzen dennoch wertvoll wird.
Den Interpretationsrahmen aber hier abzustecken, würde zu kurz greifen. Im Kontext der Adventzeit (die Arbeit ist bis 6. Jänner zu sehen) lässt sich die Diözese mit der Arbeit von Bornefeld auch auf eine Diskussion über Materialismus und Konsumkultur ein, die sich in der Gegenwart zu einer neuen Art von Religion ausgewachsen haben. Mit dem Titel „Ephemere“ regt die Künstlerin außerdem an, über die Verwendung und vor allem die Flüchtigkeit des Geldes nachzudenken: Die Herstellungskosten einer Ein-Cent-Münze haben längst ihren Wert überschritten. Dass dieses Geldmittel deshalb bald der Vergangenheit angehören dürfte, veranlasste Bornefeld zur für sie untypischen Materialwahl. Ferner spielen auch größere Themen wie der umweltbelastende Kupferabbau und die gleichzeitige Ausbeutung von Minenarbeitern eine Rolle in der Auseinandersetzung mit dem Werk. Ästhetisch reizvoll verpackt Bornefeld all diese Themen in eine elegante Form, das sanfte Lichtspiel erhebt die Arbeit gar zur transzendenten Erfahrung.
Mit „Ephemere“ wird der begrüßenswerte Dialog zwischen Kirche und zeitgenössischer Kunst in Innsbruck fortgesetzt. Zur Fastenzeit sorgte bereits die monumentale Arbeit von Alois Schild für Aufsehen. Eine acht Meter hohe Stahlskulptur erinnerte tonnenschwer an die Mauer-Pläne von US-Präsident Donald Trump. Bornefeld ist im Vergleich dazu subtiler, stiller und dennoch kaum weniger drastisch.
Ihr Münzkronleuchter, der übrigens bereits im musealen Kontext (im Linzer Lentos, im Kunsthaus Graz und zuletzt in der Festung Franzensfeste) zu sehen war, ist nicht die erste Installation von Bornefeld im kirchlichen Kontext in Tirol: Mit „Burning Supper“ entzündete die Künstlerin 2012 schon so manche Frage. Im Altarraum des Innsbrucker Doms war ihre Fotoarbeit zu sehen, in der sie das zur Ikone gewordene „Letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci neu inszenierte: Flammen loderten vor einer an einer langen Tafel sitzenden Gruppe Biker auf, an der Seite von Jesus erscheint Johannes als Frau. Dagegen wirkt ihr Kronleuchter weitaus weniger mutig.