Bühne

„Hermannsschlacht“ im Burgtheater: Leises Raunen im Splatter-Wald

Hermann (Markus Scheumann) beäugt seine Thusnelda (Bibiana Beglau), die zu Ehren der Römer Cul de Paris und Schminke trägt.
© Horn

Es ist vollbracht: Burgtheaterdirektor Martin Kušej lieferte mit Heinrich von Kleists „Die Hermannsschlacht“ die erste „wirkliche“ Inszenierung an seinem neuen Haus ab. Durchmischt.

Von Bernadette Lietzow

Wien – Wellenbrecher, Panzer­sperren, allemal wuchtige Betondinger liegen zuhauf auf der Bühne des Burgtheaters. Düster, grau, nebelig, Dunkel-Deutschland, und da blitzt es grausig rot, wie nur (Theate­r-)Blut zu leuchten vermag. Thusnelda, die Cheruskerfürstin, tut sich gütlich an glibberigem Fleisch, füttert den römischen Gesandten Ventidius mit der Auerochs-Jagdbeute, die dieser soeben heldenhaft gemacht hat. Hermann, der Fürst und Gatte, schmiedet da schon seine Ränke, spannt Frau wie Kinder wie Gefolg­e ein in sein Intrigenspiel mit dem Ziel, Germanien, ja, „(wieder) groß zu machen“.

Auf der Folie der historischen Schlacht im Teutoburger Wald, in der im Jahr 9 n. Chr. drei römische Legionen unter ihrem Feldherrn Varus im Kampf gegen ein geeintes Heer germanischer Stämme unter Führung des Cheruskers Hermann aufgerieben wurden, entwickelte Heinrich von Kleist sein wahrhaft blutrünstiges, anspielungsreiches Polit-Stück. Napoleon war gerade als glorioser Sieger über Preußen und Russen in der Schlacht bei Friedland hervorgegangen, Kleist assoziiert die Franzosen mit den Römern, während die Cherusker die Preußen und die Sueben unter ihrem Anführer Marbod die ebenso Napoleon militärisch unterlegenen Österreicher repräsentieren.

Martin Kušej verglich in einem Interview die Aufgab­e, Kleist zu inszenieren, mit der Herausforderung, eine schwarze Piste zu bezwingen. Das wirft die Frage auf, wieso es dann auch noch unbedingt „Die Hermannsschlacht“, Kleists Drama mit seiner unsäglichen Geschichte als Theater-­Dauerbrenner in der NS-Zeit, sein musste.

Natürlich lassen sich Bezüg­e über Bezüge zur Gegenwart herstellen, die von politischen Ego-Shootern, Fake News und erschütternd erfolgreichem Rechtsruck gebeutelt ist.

Folgerichtig wie aufgelegt stellt Kušej seinen Hermann am Schluss in eine Runde Heil-rufender schlagender Burschenschafter, angetan mit dem, was man wohl „Vollwichs“ nennt. Bildmächtig ist der Zugriff zuallererst, kongenial unterstützt von Bühnenbildner Martin Zehetgruber. Zwischen Beton dreht sich ein Ringelspiel, auf dessen Pferdchen nackte Männer wie bizarre Zentauren sitzen, Lichtstimmungen und Sturmgeräusche lassen den Schlachten-Wald erstehen, ein riesiges, bald blutbespritztes Käfiggitter, das Thusnelda erklimmt, um dem Tod von Ventidius zuzusehen, den sie einer hungrigen Bärin zum Fraß vorgeworfen hat: Alles bombastisch, allein gehen dabei die Figuren verloren.

Markus Scheumanns Hermann ist ganz aasiger Machtpolitiker, brandgefährlich und sehr leise. Nicht nur er, sondern auch seine Bühnen-Mitstreiter sind für viele Zuschauer rein akustisch zu leise, was im Publikumsraum einmal hörbar beklagt wurde. Frank Rockstroh, als „zivilisierter“ Römer in Dreiteiler und Lackschuhen, stellt einen nachdenklichen, fast philosophischen Varus vor, während Rainer Galkes „Marbot“, nicht zuletzt mit „16er-Blech“-Bierdose und Frack als Opernball-geeichter Österreicher und terribles Schlaucherl glänzen darf.

Wirklich enttäuschend ist, wie wenig Aussage der Regisseur zur Figur der Thusnelda trifft: Die ob ihrer stupenden Kraft stets beeindruckende Bibiana Beglau bleibt ein irgendwie sonderbares Wesen mit üppigem Blondhaar, ein bisschen wild, ein bisschen deutsches Mädel. Fazit nach drei Stunden fünfzehn Minuten: Ein paar unaufgeregte Buhs und Bravos, gelungenere Premieren werden folgen!

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