Reform der Krankenkassen hält weitgehend vor VfGH
Die umstrittene Sozialversicherungsreform hat in ihren wesentlichsten Punkten vor dem Verfassungsgericht (VfGH) gehalten. Damit bleibt es bei der radikalen Reduktion der Träger und einer gleichrangigen Besetzung der Gremien mit Arbeitgebern und -nehmern. Einzelne Aspekte des türkis-blauen Prestigeprojekts wurden allerdings aufgehoben, etwa dass die Beitragsprüfung die Finanz übernehmen sollte.
Insgesamt darf sich vor allem die Wirtschaft als Profiteurin des Höchstrichter-Spruchs fühlen. Denn die seit vielen Jahren angestrebte Parität in den Gremien wurde vom VfGH als verfassungskonform bewertet. Kurz gesagt ist das Höchstgericht der Meinung, dass die Selbstverwaltung eben ein gemeinschaftliches Sozialpartner-Projekt von Arbeitnehmern und Dienstgebern ist. Zudem wird darauf verwiesen, dass schon die Parität im Hauptverband, die seit vielen Jahren gilt, dereinst gehalten hatte.
Die Eingriffsmöglichkeiten der Regierung in die Sozialversicherung bleiben hingegen beschränkt. Zwar wurde die Reduktion auf fünf Träger abgesegnet und dabei auch die Auflösung der Betriebskrankenkassen für legitim erklärt, nicht jedoch diverse Zusatzkompetenzen, die den zuständigen Ministerien zugedacht waren. Da geht es etwa um einen Eignungstest für Funktionäre, eine Genehmigungspflicht für Beschlüsse mit finanziellen Auswirkungen ab zehn Millionen Euro, was etwa Verträge mit den Ärzten betroffen hätte, oder die Vorlage von Mustergeschäftsordnungen durch das zuständige Ministerium.
Ebenfalls gescheitert ist das besonders umstrittene Projekt, die Sozialversicherungsprüfung den Kassen wegzunehmen und sie in die Hände der Finanz zu geben. Solch ein System, das der Sozialversicherung jeden Einfluss auf Art und Umfang des Ermittlungsverfahrens nehme, sei unsachlich, befand der Gerichtshof in dem von Präsident Christoph Grabenwarter eine halbe Stunde lang vorgetragenen Erkenntnis.
Jene Parteien, die die Reform durch den Nationalrat gebracht hatten, waren grosso modo zufrieden. ÖVP-Klubobmann August Wöginger sah „ein klares Bekenntnis zu einer modernen Selbstverwaltung“. Die freiheitliche Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch nannte den Spruch eine „gute Entscheidung für unser Gesundheitssystem“. Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf erkannte durch den Spruch zur Parität „Fairness für die Arbeitgeber“ sichergestellt, da sie in etwa die Hälfte der Beiträge zu Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung leisteten.
Dem scheidenden Sozialversicherungschef Alexander Biach gefiel wiederum, dass der Einfluss der Regierung zurückgedrängt wurde. Er sieht im Erkenntnis eine klare Absage an ein verstaatlichtes Sozialversicherungssystem. Matthias Krenn (FPÖ), Chef des Überleitungsausschusses und künftig ÖGK-Obmann, versicherte, dass die Sozialversicherung ein Abbild gelebter sozialpartnerschaftlicher Zusammenarbeit bleibe.
Enttäuschung herrschte bei den Arbeitnehmer-Vertretern, die über die AK und einzelne Kassen die Beschwerde gegen die Reform getragen hatten. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bezeichnete die Entscheidung zur Parität als unverständlich. Arbeiterkammer-Chefin Renate Anderl nannte sie ungerecht. Seitens der roten Bundesräte, die die Reform ebenfalls angefochten hatte, kündigte deren Vorsitzende Korinna Schumann nun einen politischen Kampf an, damit diese Maßnahme zurückgenommen wird.