Sacharow-Preis an chinesisch-uigurischen Regierungsgegner

Die Tochter des lebenslang inhaftierten uigurisch-chinesischen Regierungskritikers Ilham Tohti, Jewher Ilham, hat am Mittwoch stellvertretend für ihren Vater den Sacharow-Preis für geistige Freiheit des EU-Parlaments entgegengenommen. Sie hielt eine ergreifende Rede im Plenum und erhielt langandauernden stehenden Applaus von den Abgeordneten.

Tohti widmete den Preis für ihren Vater stellertretend allen Menschenrechtlern weltweit, die wie ihr Vater eingesperrt sind. „Ich weiß nicht, wo mein Vater sich befindet“, sagte Jewher Tohti. „Ich habe 2017 letztmals von ihm gehört.“ Seither werde er an einem unbekannten Ort festgehalten. Getrennt wurden Vater und Tochter am Flughafen in Peking, als sie in die USA reisen wollten, wo Ilham Tohti als Gastdozent arbeitete. „Ich konnte fliegen oder bei Vater bleiben. Vater pochte darauf, dass ich weiterreise und sagte: Weine nicht. Lass sie nicht denken, dass uigurische Frauen schwach sind“, zitierte sie ihren Vater. „Dank seiner Ermutigung bin ich heute hier in Straßburg.“

„Wahrscheinlich werde ich meinen Vater und meine Familie niemals wiedersehen, weil ich nicht nach China zurückreisen kann“, so Tohti. Ihr Vater sei eingesperrt, nur weil er für das gegenseitige Verständnis zwischen Uiguren und Han-Chinesen gearbeitet habe. Er sei zu Unrecht als Separatist und gewalttätiger Extremist in Einzelhaft. Als er noch seiner Geschäftskarriere nachgegangen sei, sei die Familie so wohlhabend gewesen, dass sie immer wieder einmal ein Schaf habe kaufen und schlachten können und sogar mit den Nachbarn teilen. Als er sich auf die Rechte der Uiguren konzentriert habe, sei das nicht mehr gegangen. Zu viel Geld sei in den Schutz seiner Internetseite notwendig geworden. Trotzdem habe er sich für das Leben entschieden, das ihn schlussendlich ins Gefängnis brachte, indem er sich für einen „friedvollen Dialog“ zwischen den Volksgruppen eingesetzt habe. Ihr Vater habe konstruktiv mit der chinesischen Regierung zusammenarbeiten wollen.

Mehr als eine Million Uiguren sei in China in Konzentrationslagern samt Zwangsarbeit und Folter eingesperrt, beklagte Tohti. Wesentliche Rechte, wie etwa daran zu glauben, woran sie glauben wollten, würden ihnen von den Machthabern in China verboten.

Jewher Tohti lebt in Washington. „Selbst dort werden mein Computer und mein Telefon oft gehackt. Ja, ich habe Angst. Ich habe Furcht. Selbst heute bin ich nervös“, sagte sie. Wie ihr Vater wolle sie aber auf Lösungen hinarbeiten. „Also stehe ich hier, weil ich meinen Vater unterstützen möchte. Wenn Sie ein Problem ausmachen, bitte arbeiten sie auf eine Lösung hin“, wandte sie sich direkt an die EU-Parlamentarier im Zusammenhang mit der Situation der Uiguren in China. „Machen sie nicht stillschweigend mit.“ Tohti verwies bezogen auf China auch auf die Situation in Hongkong und Tibet.

„Ich glaube, mein Vater ist am Leben. Ich glaube, der Preis ehrt ihn. Jetzt brauchen die uigurischen Menschen Sie“, sagte die Tochter des Preisträgers zu den EU-Politikern.

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