Innsbruck-Land

Museum Absam erzählt von Armut, großer Not und gestohlenem Salz

Der seinerzeitige „Tatort“, das Haller Salinenareal (im Vordergrund gut am stattlichen Zaun zu erkennen), wird bei der historischen Presseschau anhand eines zeitgenössischen Plans rekonstruiert.
© Archiv Gemeindemuseum Absam

Das Museum Absam ruft einen spektakulären Prozess vor 140 Jahren in Erinnerung – ein fesselnder Einblick in die damalige soziale Lage in Tirol.

Von Michael Domanig

Absam, Hall –Ein etwas anderes Silvesterprogramm bietet auch heuer das Gemeindemuseum Absam: Unter dem Motto „The Big Salt Robbery“ wird dort morgen Dienstag ab 19 Uhr ein historischer Kriminalfall mit hohem Salzgehalt aufgerollt – samt tiefen Einblicken in die soziale Lage in Tirol vor 140 Jahren.

32 Männer und Frauen aus Hall und Umgebung waren 1879 wegen schweren Diebstahls angeklagt: Die „Diebes-Compagnie“ hatte u. a. Haller Gasthäuser und Gewerbetreibende über Jahre mit gestohlenem Salz aus der Saline versorgt – und so einen „Zusatzverdienst“ für weit über 100 zumeist völlig mittellose Personen geschaffen. Der Prozess am Innsbrucker Schwurgericht im Juni 1879 sorgte seinerzeit für erhebliches mediales Aufsehen weit über Tirol hinaus.

„Obwohl sich die Zeitungen damals an ein rein bürgerliches Publikum richteten, wurde die soziale Komponente in der Berichterstattung stark berücksichtigt“, erklärt Museumsleiter Matthias Breit. Die prekäre soziale Lage der vor Gericht Stehenden sei sehr genau geschildert worden.

Dass die Angeklagten im Alter von 19 bis 75 Jahren meist zu drakonischen Strafen verurteilt wurden – ein Hauptangeklagter erhielt beispielsweise fünf Jahre schweren Kerkers, verschärft durch Einzelhaft –, stieß angesichts dessen durchaus auf Kritik. So wies die Wiener Tageszeitung Das Vaterland darauf hin, dass in Folge des Prozessausgangs „nun 84 versorgungsbedürftige Kinder sammt ihren Müttern der Commune Hall zur Last“ fielen, da in etlichen Familien „beide Eltern in den Kerker wandern“ mussten.

Generell seien in Tirol damals größtenteils vermögens- und mittellose Menschen vor Gericht gestanden, führt Breit aus. Laut dem Buch „Übeltäter – Bösewichter. Kriminalität und Kriminalisierung in Tirol und Vorarlberg im 19. Jahrhundert“ der Historikerin Elisabeth Dietrich-Daum galten z. B. im Zeitraum 1871 bis 1880 rund 90 % der in Tirol wegen Verbrechen Verurteilten als mittellos. Vor allem Diebstahlsdelikte seien in direktem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation, vor allem der Preisentwicklung, zu sehen gewesen, so Breit.

Auch der damalige Verteidiger wies laut Innsbrucker Nachrichten explizit auf die Notlage seiner Klienten hin. Vom „Bestreben, sich ein Vermögen oder gar Reichtümer zu sammeln“, könne bei den Salzdiebstählen keine Rede sein. Zudem seien die Angeklagten selbst oft Zeugen geworden, „wie große Quantitäten Salz von einem so genannten Fehlsud in den Inn geworfen und auch die beste Sole, wenn der Zufluss aus dem Bergwerke zu reichhaltig wurde, in das Wasser des Innflusses abgelassen wurde“.

Tatsächlich erhielten die Salzdiebe teilweise nicht einmal Geld für ihre Lieferungen. „Der Wirt des Gasthofs Einhorn in Hall zahlte sie z. B. nur in Alkohol und Naturalien aus“, erklärt Breit. Und ein Angeklagter, Vater von vier Kindern, erregte den Zeitungsberichten zufolge „Heiterkeit“ durch seine „lakonische Bemerkung, daß er für seine Bemühungen in dunkler Nacht durch Wegführen des Salzes nach Innsbruck“ von einer der Hauptangeklagten bloß mit „Suppe mit Würstl“ abgespeist worden sei.

Die Innsbrucker Nachrichten schlossen die Prozessberichterstattung am 11. Juni 1879 mit den Worten: „Mögen nicht sobald wieder Berichte über einen so traurigen und in das Familienleben Vieler so scharf einschneidenden Straffall die Seiten unseres Blattes füllen!“

Im Gemeindemuseum Absam lesen zu Silvester u. a. Rainer Egger und Gerd Jenewein aus den Medienberichten von anno dazumal vor. Dazu erklingt „Jailhouse Rock“ mit Gregor Degasperi an der E-Gitarre. Der Eintritt ist frei!

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