Ukraine und Separatisten tauschen 200 Gefangene aus
Die ukrainische Regierung und ostukrainische Separatisten haben am Sonntag erstmals seit 2017 wieder Gefangene ausgetauscht: Kiew erhielt 76 Gefangene zurück, den Rebellen in den selbsternannten Republiken Donezk und Luhansk wurden nach eigenen Angaben insgesamt 124 Gefangene übergeben.
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Emmanuel Macron begrüßten ebenso wie der russische Staatschef Wladimir Putin den Austausch. Doch sorgte er in der Ukraine auch für Kontroversen.
Eine Liste der insgesamt 200 Freigelassenen gab es zunächst nicht. Das Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wollte zu einem späteren Zeitpunkt „Details“ nennen.
Die Gefangenen wurden seit der Früh mit Bussen unweit der Frontlinie an den Kontrollpunkt Majorske im von Kiew kontrollierten Teil der Region Donezk gebracht. Der Austausch dauerte rund fünf Stunden, er fand unter Beobachtung von Vertretern des Roten Kreuzes und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) statt. Der Separatistenführer von Luhansk, Leonid Passetschnik, sprach anschließend auf Twitter von einem „neuen Sieg“.
Unter den von den Rebellen Freigelassenen waren neben Soldaten auch mehrere Zivilisten, die während ihres Verwandtenbesuchs Opfer des Konflikts geworden waren. Zu ihnen gehört Wolodymyr Danylschenko, der nach eigenen Angaben drei Jahre lang in Luhansk festsaß. „Ich verstehe selbst nicht, was passierte“, sagte der 36-Jährige. Er war sichtlich von seinen Gefühlen überwältigt; erleichtert und zugleich traurig darüber, dass er seine Mutter in Luhansk zurücklassen musste.
Viktoria verbrachte ebenfalls drei Jahre in Haft. Sie sei kurz nach ihrer Ankunft in Luhansk, wo sie ihre Eltern besuchen wollte, festgenommen und wegen „Staatsverrats“ zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden, sagte die 24-Jährige der Nachrichtenagentur AFP.
Der Gefangenenaustausch war Anfang des Monats bei einem Gipfeltreffen in Paris vereinbart worden. Dabei trafen der russische Präsident Wladimir Putin und sein ukrainischer Kollege Selenskyj erstmals persönlich zusammen und führten gemeinsam mit Merkel und Macron Gespräche. In vier Monaten soll ein weiteres Gipfeltreffen im so genannten Normandie-Format stattfinden.
Bereits im September hatten die Ukraine und Russland jeweils 35 Gefangene ausgetauscht. Im November gab Russland der Ukraine dann drei Marineschiffe zurück, die die russische Küstenwache ein Jahr zuvor in der Straße von Kertsch beschlagnahmt hatte.
Seit dem blutigen Aufstand gegen den von Russland unterstützten ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Anfang 2014 sind die Beziehungen zwischen Kiew und Moskau auf einem Tiefpunkt. In der Folgezeit annektierte Russland die Krim-Halbinsel, und der Ostukraine-Konflikt begann. Seitdem wurden in dem Konflikt etwa 13.000 Menschen getötet. Die Regierung in Kiew und der Westen werfen Russland vor, die Separatisten finanziell und durch Waffenlieferungen zu unterstützen. Moskau weist dies zurück.
Ukrainischen Medienberichten zufolge ließen die Separatisten neben Soldaten auch einige Aktivisten frei, darunter den Journalisten Stanislaw Asejew vom ukrainischsprachigen Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty.
Zu den von Kiew Freigelassenen sollen auch ehemalige Polizisten gehören, die sich 2014 an der blutigen Niederschlagung der proeuropäischen Proteste in Kiew beteiligt haben sollen. Dies sorgte vor allem bei Angehörigen der damaligen Opfer für Kritik. Einer von ihnen sprach auf Facebook von einer „Erniedrigung“.
In einem offenen Brief an Präsident Selenskyj warnten die Familien der Opfer vor einer „Protestwelle“. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft teilte mit, die Verdächtigen müssten sich auch nach dem Gefangenenaustausch den Vorwürfen vor Gericht stellen.
Merkel und Macron nannten den Austausch „eine lang ersehnte humanitäre Geste, die dazu beitragen sollte, das Vertrauen zwischen beiden Seiten wiederherzustellen“, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz in Berlin mitteilte. Der Austausch müsse nun im Einklang mit den Beschlüssen des Gipfeltreffens von Paris im Dezember von einer „vollständigen und umfassenden Umsetzung des Waffenstillstands flankiert“ werden.