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Neujahrskonzert: Wie man Neujahr auf Knall und Fall begrüßt

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Andris Nelsons gab bei seinem Debüt als Dirigent des Neujahrskonzerts eher grobe Walzerschritte vor.

Von Stefan Musil

Wien — Ein Glück, dass der sympathische Andris Nelsons seine Karriere als Trompeter begonnen hat. So geht er als Dirigent in die Neujahrskonzert-Geschichte ein, der die Trompete blasend den „Postillon" spielen durfte. Für den gleichnamigen Galopp von Hans Christian Lumbye. Der war Däne, wie Theophil Hansen, Architekt des Wiener Musikvereins, der vor 150 Jahren eröffnet wurde. Ein netter Spaß, vielleicht der nachhaltigste Moment dieses Neujahrskonzerts.

Der kürzlich verstorbene Dirigent und Landsmann Mariss Jansons war übrigens Nelsons später Lehrer und Mentor. Jansons hat zwei wunderbare Neujahrskonzerte geleitet. Er hätte Nelsons vermutlich mehr Verständnis für die Musik der Strauß-Dynastie vermitteln können. Der diesjährige Neujahrsgruß der Wiener Philharmoniker im Goldenen Saal klang nämlich immer wieder ein wenig missverständlich.

Denn ein Strauß-Walzer ist vieles, nur nicht zum Tanzen da. Es ist ein Konzertstück, feingliedrig aufgebaut, aus langsamen und schnelleren, aus mitreißenden und lyrisch berührenden Momenten. So ein Walzer darf auch einmal leise werden, sogar ganz leis­e. Er hat seine kleinen Verzögerungen, sein Schweben, in dem der Walzerschritt stillsteht und der Wiener Himmel voller Geigen hängen könnte.

Er ist nie streng Dreiviertel getaktet, zwischen zimmerlautstark und sehr laut, oder gar Filmmusik ähnlich aufgebrezelt. So wie diesmal, wenn etwa der Walzer „Wo die Citrone­n blüh'n" von Johann Strauß Sohn leuchten hätte sollen, was sich trotz ein paar feiner Pianostellen bis zum klanglich dick aufgetragenen Ende nicht ausging.

Schon zu Beginn nahm einen der „Liebesgrüße"-Walzer bestimmt bei der Hand. Komponiert hat ihn Josef Strauß, der Feinfühligste der Brüder. Doch hätte sich ein Richard Strauss für seinen „Rosenkavalier" tatsächlich bei Josefs herrlichem „Dynamiden"-Walzer bedient, wenn er so wie unter Nelsons eher an „Dynamiten" erinnerte? Selbst der „Donauwalzer" darf nach mehr als nach einer schwungvollen Tanznummer zum Mitternachtsfeuerwerk klingen. Natürlich fahren die flotten Stücke noch ein bisschen stärker ein, wenn man sie auch besonders flink und besonders knallig ins Publikum schickt. Aber man muss nicht gleich für Franz von Suppés Ouvertüre „Leichte Kavallerie" die großen Geschütze auffahren, sich mit der „Tritsch-Tratsch"-Polka an die Bassena stellen, und die Polka schnell „Knall und Fall" von Eduard Strauß so wörtlich nehmen. Da geht dann bald auch ein feingebautes Stück wie Josef Hellmesbergers „Gavotte" im gut ausgesuchten Programm unter.

Immerhin: Beethoven verbindet. Haben doch die Philharmoniker seine neun Symphonien zum Beethoven-Jahr soeben unter Nelsons auf CD herausgebracht. Daran erinnerte man mit Contretänzen von Beethoven. Aber auch mit dem Titel eines Walzers von Strauß Sohn: „Seid umschlungen, Millionen!" Der spielt natürlich auf die „Neunte" und ihre „Ode an die Freude" an, ist vielfältig gültig und gelang Nelsons und den Philharmonikern am überzeugendsten unter all den Walzern im neue­n Jahr.

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