„Zeitzeugen“-Gespräche

Zeitzeuge Gerhard Berger: Für ein Leben am Limit

Formel-1-Legende Gerhard Berger als „Zeitzeuge".
© Thomas Boehm / TT

Den Auftakt zur achten Reihe der „Zeitzeugen“-Gespräche machte Tirols F1-Legende Gerhard Berger. Im voll besetzten Saal im „Haus der Musik“ blieb kein Auge trocken, als der 60-Jährige aus dem Nähkästchen plauderte.

Von Daniel Suckert

Innsbruck –„Ich wollte Weltmeister werden“, sagte Gerhard Berger am Dienstagabend beim Podiumsgespräch mit Tirols Star-Autor Bernhard Aichner, um wenige Momente später den Satz zu vervollständigen: „Aber am Tag und in der Nacht.“ Besser konnte der 210-fache Formel-1-Starter sein Leben nicht auf den Punkt bringen. Berger kannte immer nur eines: Vollgas – am und abseits des glühenden Asphalts.

Motorräder, Autos, Lkw – es gab nichts, mit dem Berger, eingebettet in das elterliche Transportunternehmen, nicht in Berührung kam und mit dem er nicht durchs Gelände fuhr. Illegal natürlich. Denn zu dem Zeitpunkt „war ich sieben oder acht Jahre. Alles, was mit Motoren zu tun hatte, faszinierte mich.“ Zum Entsetzen der Eltern. Berger: „Die Mama hat schon Angst gehabt, wenn ich nur über die Stufen gegangen bin. Der Papa hat immer weggeschaut.“

Gerhard Berger mit Interviewer und Star-Autor Bernhard Aichner, ORF-Tirol-Direktor Robert Unterweger, Moser-Holding-Vorstand Silvia Lieb (v. l.) sowie LR Johannes Tratter (r.).
© Thomas Boehm / TT

Dafür haben die Lehrer umso genauer hingeschaut. Schule war so überhaupt nichts für den selbst ernannten „Straßenköter“, der lieber in den Wäldern Rallye fuhr. Was der Polizei und der Gendarmerie wiederum gar nicht gefiel, wie Berger mit einem verschmitzten Grinser erzählte: „Die haben mich gesehen und schon die Augen verdreht: ,Berger, du schon wieder und auf einem Moped ohne Nummerntafel! Du wirst nie den Führerschein bekommen.‘“

Apropos Führerschein – der fehlte ihm natürlich auch mit 12, 13 und 14 Jahren. Zu dem Zeitpunkt war sein Ruf schon so verbreitet, dass regelmäßig am Freitagabend kleine Steine an sein Fenster flogen. „Manche übermüdeten Lkw-Fahrer haben mich in ihre Touren nach Italien eingeplant. Sie haben hinten geschlafen und ich bin gefahren“, erklärte der heute fünffache Familienvater unverblümt: „Wenn eine Polizeikontrolle anstand, haben wir halt einfach einen fliegenden Wechsel am Lenkrad gemacht.“

Während die Eltern immer wieder mit dem Gedanken spielten, den unbelehrbaren Filius ins Kloster nach Fiecht zu schicken, landete Berger auf einem seiner Ausflüge auf einer Kartbahn in der Nähe von Ancona, die er aus seiner Kindheit noch kannte. Ein Wochenende lang verfuhren er und ein Lkw-Fahrer nicht nur das Fahrtengeld, sondern „auch die Hälfte der Paprika-Ladung. Als wir dann ohne Geld wieder zu Hause waren, ist die andere Hälfte der Lieferung wegen der Hitze auch noch kaputt gewesen.“

Die Leidenschaft fürs Rennfahren war so gar nicht nach dem Geschmack von Papa Johann. Berger: „Den ersten Sieg habe ich am Österreichring geholt. Dem Papa habe ich erzählt, ich müsse in Innsbruck für die Berufsschule lernen. Nur blöd, dass die TT darüber berichtet hat.“

Bis auf den letzten Platz besetzt war das „Haus der Musik“, als der „Benzinbruder“ Gerhard Berger zu Gast war.
© Thomas Boehm / TT

Der Weg zum professionellen Rennfahrer war nicht mehr aufzuhalten. Weil die richtigen Förderer auf ihn setzten und sich der heutige Chef der Berger Logistik stets auf sein Talent verlassen konnte. Was zu zehn Formel-1-Siegen und zwei Ferrari-Engagements führte, allerdings am Ende nicht für den WM-Titel reichte. Der „Lebemensc­h“ in Berger war eben stets auf der Pole-­Position gestanden.

Vor wenigen Jahren kehrte er zurück nach Tirol. Darüber freue er sich so sehr, da er nach Jahrzehnten im Fürstentum Monaco erst gemerkt habe, „wie schön wir es hier haben. Allein die vier Jahreszeiten bewusst mitzuerleben, das ist unbeschreiblich. Und ich weiß, wie gut wir es hier haben, denn ich war überall.“ Nach 90 fesselnden Minuten gab es „Standing Ovations“ für den Wörgler Benzinbruder, der am Ende betonte: „Es ist das größte Glück, dass ich das alles überlebt habe.“

Das nächste Zeitzeugen-Gespräch im Haus der Musik findet am 11. März statt. Gast von Bernhard Aichner ist dann Seniorenbund-Ehrenpräsident Helmut Kritzinger.

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