Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer ist für kalte Progression
Bank-Austria-Ökonom Bruckbauer ist für die Beibehaltung der kalten Progression: Sie eröffne der Politik Handlungsspielräume.
Innsbruck – Die geplante Steuerreform hat auch die Debatte um die kalte Progression wieder angefacht – die versteckte Steuererhöhung, die dem Staat bei jeder Lohnerhöhung Mehreinnahmen bringt. Denn ein Teil des jährlichen Lohnplus deckt lediglich die Inflation ab, führt also zu keiner realen Steigerung des Einkommens, sehr wohl aber zu einer höheren Steuerlast.
Während zahlreiche Akteure die Abschaffung der kalten Progression und eine automatische Anpassung der Steuertarife an die Inflation fordern, spricht sich Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer für die Beibehaltung der kalten Progression aus. Er begründet es damit, dass die kalte Progression der Politik steuerliche Spielräume ermögliche, bestimmte Gruppen dann zu entlasten, wenn es sinnvoll und nötig ist. „Jede Regierung hat die Chance, jährlich oder alle zwei Jahre die kalte Progression wieder zurückzugeben, wenn man das Gefühl hat, das ist notwendig. Doch das entscheidet man aufgrund der aktuellen Bedürfnisse und nicht automatisch“, sagte Bruckbauer kürzlich gegenüber der TT.
Automatismen in der Wirtschaftspolitik seien gefährlich, meint der Ökonom. „Dann enden wir so, wie wir es in der Finanzkrise hatten – nämlich dass wir uns selbst einengen.“ Aus seiner Sicht gehe es in der Debatte rund um die kalte Progression um „etwas ganz anderes“. Bruckbauer: „Die Leute, die das Ende der kalten Progression möchten, wollen in Wirklichkeit, dass der Staat sich zurückzieht. Die wollen eigentlich den Sozialstaat schwächen und argumentieren dann neutral über diese kalte Progression“, glaubt Bruckbauer. Natürlich brauche es regelmäßig die Hinweise auf die zusätzlichen Einnahmen durch die kalte Progression. „Dann kann man die Abgabenquote senken, hat aber den Freiraum zu entscheiden: Wo senkt man mehr und wo weniger. Das macht Sinn.“
Spannend wird es aus seiner Sicht heuer auch auf einem anderen Parkett, nämlich jenem der Europäischen Zentralbank (EZB) unter Neo-Chefin Christine Lagarde. Dabei könnte auch das Inflationsziel der EZB von knapp unter zwei Prozent wackeln, das sie derzeit für stabile Preise als nötig erachtet. Möglich, dass die EZB künftig eine niedrigere Teuerungsrate anstrebt – was wiederum entscheidend für mögliche Zinserhöhungen ist. Bei einem Vortrag auf der Uni Innsbruck hat Bruckbauer kürzlich unter anderem die Erwartungshaltung am Finanzmarkt zu diversen Szenarien wiedergegeben. Bleibt das Inflationsziel unverändert bei knapp unter zwei Prozent, wird demnach mit Nullzinsen bis zum Jahr 2025 gerechnet. Würde die EZB das Teuerungsziel mit einer Spanne von 1,5 Prozent bis 2,5 Prozent definieren, wird ein früheres Zinsplus erwartet. Würde das Inflationsziel mittelfristig mit zwei Prozent definiert, rechne der Finanzmarkt erst mit einer spürbaren Zinserhöhung in einigen Jahrzehnten. (mas)