Gespräch

Jan-Hinnerk Arnke im TT-Interview: „Schauspiel-Beruf ist härter geworden“

Jan-Hinnerk Arnke genießt den milden Winter. Das Interview mit ihm wurde spontan zum Freilufttermin umfunktioniert.
© Vanessa Rachlé / TT

Jan-Hinnerk Arnke ist als langjähriges Ensemblemitglied am Landestheater derzeit in „Stück Plastik“ und „Die Deutschlehrerin“ zu sehen. Im TT-Gespräch zieht der gebürtige Berliner Zwischenbilanz.

In „Stück Plastik“ spielen Sie einen exzentrischen Künstlertypen, der sich auch körperlich offenbart – im Bademantel und in goldener Unterwäsche. Wie fühlt man sich so relativ nackt auf einer Bühne?

Jan-Hinnerk Arnke: Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. In dieser spärlich bekleideten Szene werfe ich ja auch mit allerhand Dreck um mich. Ich bin also sehr beschäftigt und habe gar keine Zeit, um mir Gedanken über mein Äußeres zu machen. Früher hatte ich öfter solche Auftritte, aber da befand ich mich auch noch in einer anderen körperlichen Verfassung. Jetzt ziehe ich den Bauch ein, obwohl man das wahrscheinlich gar nicht sieht. „Stück Plastik“ ist für uns alle auf der Bühne ein Drahtseilakt. Jeder gibt viel von sich preis.

„Stück Plastik“ nimmt ein­e auf perfekt getrimmte Überflussgesellschaft aufs Korn. Der von Ihnen gespielte Künstler Serge führt sich auf wie ein selbstsüchtiger Tyrann.

Arnke: Ich war selber ganz peinlich berührt davon, wie sich dieser Serge benimmt. Ich bin persönlich doch ein ganz anderer Typ, eher der Harmonische. Auf Teufel komm heraus die Konfrontation zu suchen, ist eine Herausforderung. Sie müssen wissen, dass ich als Sohn eines Pastors in Berlin aufgewachsen bin, in doch recht behüteten Verhältnissen.

Wie groß war der Schritt aus diesem Umfeld hin zur Schauspielerei?

Arnke: Ich begann ein Jusstudium, später versuchte ich es dann mit Germanistik und Psychologie. Doch der Film „Die Unbestechlichen“ mit Robert Redford und Dusti­n Hoffman über die Aufdeckung des Watergate-Skandals durch zwei Reporter der Washington Post hatte mich immer schon beeindruckt. Ich wollte schlussendlich ein Schauspieler werden, der einen Journalisten spielt. Ich kam also relativ spät zur Schauspielerei, erst als ich 23 Jahre alt war.

Schauspieler erhalten immer nur einen Einjahresvertrag. Das ist so üblich. Damit muss man leben.
Jan-Hinnerk Arnke (Mitglied des Ensembles am Landestheater)

Inzwischen sind Sie 50. Wird das Angebot an passenden Rollen mit zunehmendem Alter dünner?

Arnke: Es gibt eine Reihe interessanter Rollen für Vaterfiguren, und ich bin relativ bald in dieses reifere Fach gewechselt. Ich fühle mich da gut aufgehoben.

Sie sind mit Intendant Johannes Reitmeier in der Saison 2012/13 nach Innsbruck gekommen. Es sieht so aus, als ob Sie hier Wurzeln geschlagen hätten.

Arnke: Mir gefällt es in Tirol, ich fühle mich hier heimisch. Und inzwischen verstehe ich auch zumeist, was die Menschen im lokalen Dialekt sagen. Das muss ich auch, denn meine sechsjährige Tochter, die in Innsbruck auf die Welt kam, legt schon einmal auf Tirolerisch los und fragt: „Wia tuasch’n du da, Papa?“ Ich würde gerne hierbleiben. Allerdings habe ich als Schauspieler am Tiroler Landestheater immer nur einen Einjahresvertrag. Das ist in unserem Geschäft so üblich. Damit muss man leben. Was die Zukunft bringt, weiß man nie so genau.

© Vanessa Rachlé / TT

Auch für Sie wird es Tage geben, an denen Sie aufstehen und denken: „Heute mag ich die Welt nicht.“ Trotzdem müssen Sie abends auf die Bühne. Wie vertreiben Sie destruktive Gedanken?

Arnke: Natürlich gibt es solche Gemütslagen, doch die Aufführung steht wie ein Berg vor dir, und da musst du durch. Im Normalfall denkt man nur noch an seine Rolle und an den Auftritt, sobald der Vorhang hochgeht. Auf der Bühne ist kein Platz für Persönliches.

Mir gefällt es in Tirol. Inzwischen verstehe ich auch zumeist, was die Menschen im lokalen Dialekt sagen.
Jan-Hinnerk Arnke

Schauspieler müssen auch Kritik aushalten können. Wie gut gelingt Ihnen das?

Arnke: Gerade vor Premieren ist man besonders nervös, man kann nicht wissen, wie ein neues Stück beim Publikum ankommt. Ich sage es offen: Mich interessiert die veröffentlichte Kritik in den Medien sehr. Ich stelle mich nicht zum Selbstzweck auf die Bühne. Natürlich nimmt man sich eine Kritik auch zu Herzen. Das kann schon auf die Stimmung durchschlagen. Schließlich hat man sechs Wochen lang geprobt und viel Herzblut in ein Theater­stück investiert.

Für Schauspieler ist es Alltag, mehrere Stücke parallel zu proben und zu spielen. Wie verhindert man da ein textliches Durcheinander?

Arnke: Ich glaube fest daran, dass Schauspieler über eine Art Reptiliengehirn verfügen: In irgendeiner Windung des Gehirns ist der Text eines einstudierten Stücks auch nach längerer Zeit wieder abrufbar – zumindest sollte er das.

Wenn Sie an Ihre Anfänge auf der Bühne zurückdenken: Worin erkennen Sie den größten Unterschied zu heute?

Arnke: Junge Schauspieler haben es heute meiner Ansicht nach schwerer, Fuß zu fassen, als ich es damals hatte. Es gibt inzwischen viele Schauspielschulen und somit auch deutlich mehr Absolventen. Die Ellbogen werden öfter ausgefahren. Ich bin mit der Einstellung „Schaun wir mal!“ in den Theaterberuf gestartet. Das geht heute nicht mehr. Der Schauspiel-Beruf ist härter geworden.

Das Gespräch führte Markus Schramek

Auszug aus dem Rollenfundus

Jan-Hinnerk Arnke (Hinnerk ist Norddeutsch für Heinrich) stammt aus Berlin. Er ist seit 2012/13 Mitglied des Schauspielerensembles am Tiroler Landestheater. Aktuell ist er in „Stück Plastik“ und „Die Deutschlehrerin“ in den Kammerspielen zu sehen. Zuletzt wirkte Arnke u. a. in „Radetzkymarsch“, „Richard III.“ und „Furor“ mit.

Spezielles Duo. Mit seinem Schauspielerkollegen Kristoffer Nowak gestaltet Arnke die Late-Night-Show „Nimm2“ in der K2-Bühne.

© Larl

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