Mozartwoche Salzburg feierte Auftakt mit „Messias“

Manch einer schließt die Augen, um Musik besser zu erfahren. Robert Wilson wollte für Mozarts Bearbeitung von Händels „Messias“ just das Gegenteil, nämlich mit visueller Unterstützung zu besserem Verständnis führen. Bei der ersten Premiere der Salzburger Mozartwoche 2020 am Donnerstag tat er dies im Haus für Mozart mit Licht, Animation und wenigen Requisiten - zur Begeisterung des Publikums.

Wenn man so will, ist Regisseur Robert Wilson nach Mozart also der zweite Bearbeiter von Georg Friedrich Händels „Messias“. Während Mozart nur musikalische Änderungen in Form einer Besetzungserweiterung durch Bläser sowie Änderungen in den Stimmen und eine Übersetzung des Textes ins Deutsche vornahm, inszeniert Wilson für die Mozartwoche ein Geschehen, das sich im Sinne der Formenlehre bei einem Oratorium nur in Musik und Text abspielt.

Der Text dreht sich bei Händel und auch in Mozarts Übersetzung um das Leben Christi, von Weihnachten über die Passion, bis hin zur Himmelfahrt. Viel hatte Wilson von seiner Inszenierung im Voraus nicht preisgegeben. Bei einem Künstlertalk in der Stiftung Mozarteum hatte der Regisseur im Dezember erzählt, dass er dem Publikum möglichst viel Interpretationsspielraum lassen wolle und Licht eine große Rolle spielen soll.

Licht und auch Schatten werden tatsächlich tragende Rollen zuteil, neben dem für Wilson typischen Spiel mit Bildern und Symbolen. Während der kräftige Philharmonia Chor Wien (Einstudierung Walter Zeh) von Himmlischen Taten und Mächten singt, sind es auf der Bühne im Haus für Mozart eher die irdischen Elemente, die das Geschehen vorantreiben, eingepackt in lange Lichtlinien, die den hohen Bühnenraum einrahmen. Mal brechen auf einer gewaltigen Videowand Wassermassen übereinander herein, mal schweben Baumstämme von der Decke, während ein Tänzer unter ihnen über die Bühne gleitet. Wenn auf den Text Bezug genommen wird, dann allenfalls nur symbolisch.

So setzt sich Sopranistin Elena Tsallagova beispielsweise einen Kranz auf, wenn sie von den Engeln singt. Mit voller Leichtigkeit wird sie stimmlich deutlich darstellerischer, und am Darstellen findet auch Tenor Richard Croft gefallen, während er locker mit seinen Koloraturen spielt. Vor allem agiert er stark mit den verrückten Figuren, die Robert Wilson über die Bühne schickt. Ein Mädchen mit einem Vogel in der Hand und ein Greis, mit dem er synchron tanzt, gehören noch zu den normaleren Gesellen, denn auch ein tanzender Strohhaufen und ein Astronaut kreuzen im Laufe der Zeit seinen Weg. Diese Begegnungen gehören offensichtlich zu dem, was Wilson seinem Publikum an Interpretationsspielraum überlassen wollte.

Genauso fantastisch sind Carlos Sotos Kostüme, die ganz mit den Bühnenfarben harmonieren. Trotzdem erinnern Wiebke Lehmkuhls Kleid und eingedrehte rote Haare ein wenig an Queen Victoria. Mit geradezu majestätisch anmutender Eleganz und Ruhe singt die Altistin auch. Eher an einen Majakönig erinnert dagegen das Kostüm von Jose Coca Loza, der die Basspartie singt und seine Momente in den höheren Registern feiert.

Und so zieht einen dieser fabelhafte Kosmos immer weiter auf seine eigene Ebene von Raum und Zeit. Musikalisch hält Marc Minkowski mit den Musiciens Du Louvre das Ganze solide auf dem Boden und ist der Einzige, der Erinnerungen an ein kirchliches Werk zulässt, denn vom statisch religiösen Kirchenwerk distanziert sich der Regisseur klar und deutlich. Er zieht sein Publikum lieber in einen ästhetischen Strudel verschiedenster Impressionen, von dem man sich gerne zweieinhalb Stunden lang mitziehen lässt. Dann holt das Publikum das Haus für Mozart mit langem und lautem Applaus wieder zurück in die Realität. Die Traumreise hat offensichtlich großen Gefallen gefunden. Neben den beiden bei der Mozartwoche noch angesetzten Terminen können sich davon dann auch die Gäste der Festspiele überzeugen. Die Jubiläumsausgabe wird heuer als Zeichen der Verbundenheit die Inszenierung für zwei Aufführungen übernehmen.

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