Innenpolitik

Eurofighter: Im Ernstfall liegt es letztlich am Piloten

Das Bundesheer testet seit 2015 probeweise Drohnen für Beobachtung­s- und Überwachungsaufgaben.
© HARALD SCHNEIDER

50-mal pro Jahr gehen Eurofighter mit „Priorität Alpha“ in die Luft. Im Normalfall sind Missverständnisse schnell geklärt. Wird es ernst, ist der Pilot gefragt.

Von Wolfgang Sablatnig

St. Johann im Pongau –„Normalerweise weiß ein Zivilpilot, was man macht, wenn ein Abfangjäger auftaucht“, sagt Oberst Peter Schinnerl, Leiter des Air Operation Centre (AOC) des Bundesheeres. Eine Ausnahme erlebten die Militärs während des österreichischen EU-Vorsitzes 2018. Ein Pilot machte alles falsch. Er schloss die Sichtblenden im Cockpit, statt sie zu öffnen. Er drehte in die falsche Richtung ab. „Wir waren da knapp an Warnschüssen“, erinnert sich Schinnerl. Nach einem Flug quer über Österreich landete die Maschine in Ungarn. Ärger war dem Piloten gewiss.

Schinnerl steht in einem hohen Saal tief im 2100 Meter hohen Heukareck bei St. Johann im Pongau. Das Bundesheer hat dort vor 40 Jahren, mitten im „Kalten Krieg“, die „Einsatzzentrale Basisraum“ (EZB) in den Berg treiben lassen. Hier hätte die Bundesregierung die Stellung gehalten, wenn Österreich zum Aufmarschraum eines heißen Krieges zwischen dem sowjetischen Ostblock und der NATO geworden wäre. Sogar ein Studio für den ORF ist vorgesehen. Dieses ist jüngst auf den aktuellen technischen Stand gebracht worden.

In normalen Zeiten nutzt das Heer den „Regierungsbunker“ als Zentrale seiner Luftraumüberwachung (LRÜ). Beim Besuch der TT herrscht dort Hochbetrieb: Österreich unterstützt die Schweiz bei der Kontrolle der Luftraumsperre wegen des Weltwirtschaftsforums in Davos. Im AOC sitzen die Österreicher Schulter an Schulter mit Kameraden aus der Schweiz und Deutschland vor ihren Computern. An die Wand projiziert sehen sie das Luftlagebild. Webcams von den Pisten rund um den noblen Skiort bringen den Tag in den Bunker.

Die Liste der Ausweichflughäfen ist farblich unterlegt: Innsbruck und Zeltweg sind grün. Hier passt das Wetter; ein verdächtiges Flugzeug könnte dort zur Landung gezwungen werden.

Durchschnittlich 50-mal pro Jahr lösen die LRÜ-Offiziere Priorität „Alpha“ aus. Meist hat ein Pilot nur vergessen, seine Sender einzuschalten. Selten gibt es militärische Überflüge, die nicht ordnungsgemäß angemeldet sind. Praktisch nie kommen die Heerespiloten in die Nähe des Waffengebrauchs.

Die Frage des Ernstfalls stellt sich trotzdem. Bei jedem Alarmstart läutet das Handy von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). Spitzt sich die Lage zu, wäre sie gefragt – etwa wenn der Verdacht besteht, dass ein entführtes Flugzeug als Terrorwaffe verwendet werden soll. „Die Ministerin erteilt nur die Waffenfreigabe. Das ist zu unterscheiden von einem Schießbefehl. Die Letztverantwortung bleibt beim Piloten“, erläutert Brigadier Werner Stangl, „Airchief“ im Verteidigungsministerium.

Die letzte Entscheidung, ob er die Waffen einsetzt und ein Flugzeug abschießt, muss aber der Pilot treffen. Er hat auch den besten Überblick über die Situation. Schinnerl: „Er kann noch immer sagen, ich kann das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“

Bisher blieb den Eurofighterpiloten diese schwere Entscheidung erspart. Thema ist sie trotzdem, berichtet der Oberst: „Das beschäftigt uns permanent.“

Bei Schlechtwetter kein sinnvoller Betrieb

Wien – Aus Sicht des Bundesheeres lässt sich vieles mit den Besonderheiten des Probebetriebs erklären. Ab dem Jänner 2015 bekam die Armee insgesamt 18 Drohnen geliefert. Aus Sicht des Rechnungshofes ist bei dieser Beschaffung vieles nicht nach Plan gelaufen: Die Beschaffungskosten betrugen 4,42 Millionen Euro (statt 3,28 Mio.), das ist eine Budgetüberschreitung um 35 Prozent. Die Prüfer vermissen ein strategisches Einsatzkonzept, bei Schlechtwetter sei kein Betrieb möglich. 2015 bis 2018 seien nur 243 Flugstunden geleistet worden – das mache rund 18.200 Euro pro Stunde.

Das Heer weist die Vorhalte zurück: Die Flüge hätten – im Gegensatz zur Prüfung – nicht 2018 geendet. Die Flugstunden würden also laufend niedriger. Kostenüberschreitungen seien eine Folge neuer Überlegungen im Zuge der Erprobung.

Und bei Schlechtwetter könne man zwar fliegen, aber nichts beobachten. Ein sinnvoller Betrieb wäre daher nicht möglich. (sabl)