Zwei Beethoven-Uraufführungen im Theater an der Wien

Im Theater an der Wien, Uraufführungsort von „Fidelio“ und zahlreichen anderen wichtigen Werken Beethovens, findet das Jubiläumsjahr naturgemäß seinen besonderen Niederschlag. „Wenn sich dieses Haus nicht besonders zu Beethoven bekannte, wäre wohl etwas falsch“, sagte Intendant Roland Geyer heute vor Journalisten. Das Beethoven-Fest des Theaters an der Wien läuft von 15. Februar bis 9. Mai.

„Wir haben ganz spezielle Projekte zusammengestellt, exemplarische Beispiele zum Bekenntnis zu Beethoven“, versicherte Geyer. Drei szenische Werke stehen im Zentrum. Am 16. März hat die 1806er-Fassung des „Fidelio“ (Geyer: „Wir haben sie bisher nur konzertant gemacht“) in einer Inszenierung von Christoph Waltz Premiere. Zuvor kommen aber zwei zeitgenössische Opern zur Uraufführung. „Unser Ansatz war: Beethoven, der Neuerer, einer, der immer versucht, neue Wege zu gehen“, so Geyer. „Daher war für mich klar: Es soll zwei neue Opern aus dem Gedankengut Beethovens geben.“

Den Anfang macht am 17. Februar „Egmont“ des deutschen Komponisten Christian Jost (56) nach einem Libretto von Christoph Klimke. Als man 2016 nach einem ersten Kennenlernen in Grafenegg handelseins über diesen Kompositionsauftrag wurde, „war es ein Moment der Glückseligkeit“, schwärmte Jost bei dem Pressegespräch. Goethes 1789 uraufgeführtes Trauerspiel „Egmont“ sei nie vertont worden, die 1810 von Beethoven dazu komponierte Schauspielmusik erklinge meist im Konzertsaal, da das Stück selten aufgeführt werde. „Es ist auch sehr lang, fünf Akte, drei oder vier Stunden Dauer. Es bietet aber sehr viel Material, die Dialoge sind teilweise sehr zeitgemäß.“ Jost und Klimke haben das im 16. Jahrhundert während des Aufstands der Niederländer gegen die spanische Herrschaft spielende Stück als Folie genommen und die Besetzung auf sechs Personen reduziert. Sie schaffen das Kunststück einer „Egmont“-Oper ohne Text von Goethe und ohne Musik von Beethoven.

„Ich hatte in keiner Sekunde vor, mit Zitaten zu arbeiten“, bekannte Jost, der aber den „nach vorne gerichteten Rhythmus“ seiner Komposition einen „Beethoven‘schen Drive“ nannte. In seiner bereits neunten Oper, die mit 90, 95 Minuten „eine perfekte Länge“ habe, „greift alles wundersam ineinander“, meinte der Komponist und schwärmte von den ersten Proben mit dem Arnold Schoenberg-Chor, dem eine wichtige Rolle in der u.a. mit Maria Bengtsson (Clara), Angelika Kirchschlager (Margarete von Parma) und Bo Skovhus (Herzog Alba) prominent besetzter, von Michael Boder dirigierter und von Keith Warner inszenierter Produktion zukomme. Außerdem sorge die Weltlage für eine gesteigerte Aktualität der Oper. „2016 war Trump noch nicht US-Präsident. Vieles war da noch anders. Das veränderte politische Klima hat das Libretto maßgeblich beeinflusst. Wir legen den Finger in die Wunde heutiger politischer Verhältnisse. Dieser Opernstoff ist wirklich total am Puls unserer Zeit. Insofern bin ich mit dieser Entwicklung sehr zufrieden.“

Auch in der Kammeroper kommt eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem großen Komponisten heraus: In „Genia oder Das Lächeln der Maschine“ (Premiere: 5. März) von Komponist Tscho Theissing und Librettistin Kristine Tornquist findet sich deutlich mehr Beethoven als in „Egmont“. „Die Anforderungen waren hier anders“, sagte Geyer. „Wir wollten zwar nicht gerade Beethoven selbst auf der Bühne haben - obwohl genau das nun der Fall ist -, aber eine Oper zu Beethoven, die viele der über ihn im Umlauf befindlichen Mythen, Legenden und Gschicht‘ln nimmt und in einen Fleischwolf wirft.“ Herausgekommen ist eine Oper, die Kunst und Technik miteinander in Wettstreit treten lässt. „Bis auf eine habe ich ausschließlich historische Figuren verwendet und versucht, ihnen gerecht zu werden“, schilderte die Grazerin Tornquist, Mitbegründerin der Gruppe „sirene Operntheater“ und Autorin von bereits 42 vertonten Libretti.

Das „Künstler-Genie Beethoven, das an die Verbesserung der Welt durch Kunst glaubt“, setzt sie in Gegensatz zu Johann Nepomuk Mälzel, den Erfinder des Metronoms, der in der Technik den entscheidenden Motor des Fortschritts sieht. Im zunehmend fiktionalen zweiten Teil wird noch allerhand weiteres erfunden - sogar der Computer. Doch der wissensdurstige Beethoven überfordert die Maschine und sorgt damit für einen Kurzschluss, der nachhaltige Folgen nicht nur für die Technik-, sondern auch für die Musikgeschichte hat. Nicht nur auf der Bühne, auch in der Musik sei Beethoven in „Genia“ präsent, versprach Tornquist. „Es ist eine Buffo-Oper. Sie ist lustig, endet aber tragisch. Es wird sehr unterhaltsam.“ Die titelgebende Genia, gesungen von Koloratursopranistin Ilona Revolskaya, ist übrigens eine Vorläuferin von Siri und Alexa und bekommt eine große Arie in Maschinensprache.

Doch das ist noch längst nicht alles, was das Beethoven-Fest des Theaters an der Wien bietet. Das weitere Programm reicht von einer Ausstellung im Souterrain, einem Konzert mit Musik von Beethoven und Manfred Trojahn und einem durch das Haus führenden Stationen-Konzert „Looking 4 Ludwig“ bis zum Abschlusskonzert am 9. Mai mit der Schauspielmusik zu „Egmont“ und der Eroica. Viel Abwechslung, fand Roland Geyer: „Es ist schon faszinierend, was in dem Beethoven alles drinnensteckt.“

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