Tiroler Kulturinitiativen: Fairer Lohn für Kulturarbeit
Tirols Kulturförderung muss überdacht werden, fordern Interessenvertreter. In „Fair Pay“ sieht die TKI eine Chance, Kulturarbeit als Arbeit im Bewusstsein zu verankern.
Von Barbara Unterthurner
Innsbruck –Für die Kulturarbeiterinnen und -arbeiter ist es ein erster Grund zur Hoffnung: Die Bedeutung der freien Szene und erstmals auch die Kulturstrategie „Fair Pay“ sind im Regierungsprogramm 2020-2024 von Türkis-Grün schriftlich verankert. Die für Kunst und Kultur zuständige Staatssekretärin Ulrike Lunacek erklärte „Fair Pay“, also gerechte Bezahlung für Kulturschaffende, kürzlich zur Priorität. „Die Kampagne hat endlich die Wahrnehmungsgrenze überschritten“, sagt Helene Schnitzer, Geschäftsführerin der TKI (Tiroler Kulturinitiativen). Ein wichtiger Schritt auch für die IG Kultur. Hoffen müsse man laut dem Tiroler Vorstandsmitglied der Interessenvertretung, David Prieth, jetzt noch auf konkrete Vorschläge, wie faire Bezahlung von geleisteter Kulturarbeit auch finanziert werden kann.
Die Forderung nach gerechter Entlohnung für Kulturschaffende beschäftigt die IG Kultur bereits seit 2010. Eine Umfrage aus dem Jahr 2013 ergab, dass mehr als die Hälfte der in Kulturinitiativen Aktiven, die bezahlt werden, höchstens 5000 Euro im Jahr verdienen. Etwa 46 Prozent sind ehrenamtlich tätig. Diese Verhältnisse dürften sich weiter verschärfen, befürchtet TKI-Geschäftsführerin Schnitzer. Mit Blick auf Tirol fällt ihr die Ursachenforschung leicht: „Das Fördersystem entwickelte sich von der Struktur- zur Projektförderung“, erklärt Schnitzer. Das wirkt sich direkt auf die Situation von Kulturschaffenden aus.
In den Neunzigern – die TKI wurde 1989 gegründet – förderte die öffentliche Hand noch vermehrt den Aufbau von Strukturen: „Man nahm damals noch weit mehr Geld in die Hand, um Initiativen nachhaltig aufzubauen und abzusichern“, erklärt Kulturarbeiter Prieth.
Deshalb setzte man in der TKI auch auf Nachhaltigkeit: 1995 wurde aus dem losen Zusammenschluss von ländlichen Initiativen ein Verein, der sich heute auf die Interessenvertretung unterschiedlichster heimischer Kulturvereine konzentriert – dazu gehört auch die Lobbyarbeit für 142 Mitgliedsinitiativen. Brechen jedoch Strukturen weg, verlagere man sich auf temporäre Lösungen. Und Kreative wandern ab, folgert Schnitzer. In Tirol belastete außerdem ein weiterer Spezialfall die Situation: „Realisiert ein Kunstschaffender in Tirol ein Projekt, darf er etwa Druck- oder Materialkosten bei den Landesförderungen abrechnen – nicht aber ein Eigenhonorar für die geleistete Arbeit.“ Das rechtliche Argument des Landes: Der Einzelne darf weder eine Honorarnote an sich selbst noch an das Land Tirol stellen, weil das Land sonst Auftraggeber würde – was es de facto aber nicht ist.
Alle Bundesländer haben inzwischen eine Regelung für dieses Problem gefunden – nur Tirol noch nicht. Schnitzer: „Man kann davon ausgehen, dass Sparmaßnahmen der Grund für die Blockade sind.“ Im Zuge der „Fair Pay“-Debatte will die TKI-Leiterin hier demnächst nochmal beim Land anklopfen.
Auch Prieth sieht „Fair Pay“ als Chance für die Kulturszene: „Für viele Menschen ist es selbstverständlich, Kulturarbeit ehrenamtlich zu machen“, sagt er. Dass Kulturarbeit Arbeit sei, müsse nicht nur im Bewusstsein der Rezipienten, sondern auch in jenem der Kulturschaffenden verankert werden. Teilweise habe man sich schon mit den prekären Verhältnissen abgefunden.
Bundesweite Honorarrichtlinien sollen hier Abhilfe schaffen. „Viele Kulturarbeiterinnen und -arbeiter wissen nicht, wie viel ihre Arbeit Wert ist“, so Schnitzer. Der Kulturbereich stelle immer noch eine Besonderheit dar: „Es gibt keine Kollektivverträge oder Honoraruntergrenzen, die Ausbeutung nach unten ist praktisch grenzenlos.“ In Kombination mit sinkenden Budgets führen diese Voraussetzungen dazu, dass Kosten steigen – und bei Honoraren gespart werden muss.
Ein erstes Zeichen gegen diesen Trend wäre eine tatsächliche Erhöhung der Kulturbudgets. Da sind sich Prieth und Schnitzer einig. Und: Die von der IG Kultur entwickelten Gehaltsschemata müssten in Zukunft auch von der öffentlichen Hand anerkannt werden.
Ein Vorzeigebeispiel liefert Schnitzer gleich dazu: In Salzburg achtet man bereits bei Förderungen darauf, dass Mindeststandards eingerechnet werden. „Können Initiativen diese Standards nicht erfüllen, werden sie nicht gefördert“, erklärt Prieth. Das sei in gewissem Maße Selbstschutz, damit kulturelle Nahversorgung auch weiterhin gewährleistet werden kann.