Neue Leitung der Tiroler Künstlerschaft: „Es geht mir ums Sichtbarmachen“
Kommende Woche wird die erste Ausstellung unter der Leitung von Petra Poelzl eröffnet. Die neue Chefin der Tiroler Künstlerschaft über Ideen und Vorhaben.
Mit Alfredo Basuglia eröffnen Sie nächsten Donnerstag Ihre erste Ausstellung als Leiterin der Tiroler Künstlerschaft. Wie lief die erste Zusammenarbeit ab?
Petra Poelzl: Generell gesprochen hatte ich in den ersten fünf Wochen hier bereits eine sehr inspirierende Zeit. Ich bin gerade dabei, alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kennen zu lernen, ebenso wie die Kulturszene in Innsbruck. Die Zusammenarbeit mit Alfredo Barsuglia war sehr angenehm. Ich konnte meine Erfahrungen einbringen: Barsuglia, der im Kunstpavillon skulptural und performativ arbeiten wird, braucht für diese Arbeit keine klassische Kuratorin, sondern jemanden, der dramaturgisch denken kann und gleichzeitig einen Ausstellungsbackground mitbringt. Er arbeitet selbst auch interdisziplinär.
Wo haben Sie Ihre Erfahrungen gesammelt?
Poelzl: Ich habe Sinologie, Chinesische Sprache und Theaterwissenschaft in Berlin und Peking studiert. Und außerdem einen weiterbildenden kuratorischen Studiengang in Bochum absolviert. Es werden sich einige fragen: Wo ist ihr Konnex zur bildenden Kunst? Ich habe mich aber stets mit einem sehr offenen Kunstbegriff beschäftigt und meine Abschlussarbeit etwa über performative Künste in China geschrieben. Der Ausstellungsraum hat sich längst anderen Disziplinen geöffnet.
Auch in bisherigen beruflichen Tätigkeiten zählte diese Interdisziplinarität, beim „steirischen herbst“, wo ich in der Dramaturgie tätig war, ebenso wie bei der EXPO in Shanghai, wo ich für den deutschen Pavillon gearbeitet habe. Oder zuletzt in Berlin, wo ich das Ausstellungsprogramm für das Kunsthaus „Acud Macht Neu“ mitverantwortete.
Zur Person
Petra Poelzl wurde 1982 in Graz geboren, ist als Dramaturgin, Kuratorin und Researcherin tätig. Von 2014 bis 2016 war sie als Dramaturgin beim „steirischen herbst“, 2018 kuratierte sie die Ausstellungsreihe „Karma Ltd. Extented“ in Berlin. Sie war Gastdozentin (Bereich Theaterwissenschaft) in Berlin und Wien.
Woher kommt Ihr Interesse an China?
Poelzl: Das hat eigentlich ganz private Gründe. Ich bin als 18-Jährige nach Thailand gereist und fand es schrecklich, nichts von der Sprache und der Kultur zu wissen. Ich habe dann für mich entdeckt, dass sich mit einer neuen Sprache, einem Studium eine neue Welt öffnet. Eine Welt, die sich mit meiner Tätigkeit in Tirol auch nicht wieder schließen wird, sondern Teil meiner kuratorischen Arbeit wird. Ich möchte diese globale Betrachtung mit dem Lokalen verbinden.
Im September wird es die erste von Ihnen kuratierte Ausstellung in der Neuen Galerie zu sehen geben – dürfen Sie dazu schon etwas verraten?
Poelzl: Bisher steht der Arbeitstitel: „The World As We Knew It“. Ich möchte darin erörtern, woher aktuelle Tendenzen wie etwa der Rechtsruck überhaupt kommen. Ganz generell interessiert mich aktuell die Geschichte des Kolonialismus und Imperialismus und wie sich das Erbe noch heute niederschlägt. Für mich sind Ausstellungen Wissensvermittler, Experimentierfelder und Impulsgeber für eine Thematik, die über die Dauer der Schau diskutiert und belebt werden kann.
Das klingt nach Formaten, die Sie parallel zu Ausstellungen anbieten werden.
Poelzl: Genau, ich bin derzeit daran zu überprüfen, mit welchen Formaten bisher gearbeitet wurde – was bisher funktioniert hat, was man in Zukunft verändern könnte. Es soll natürlich auch weiterhin Formate für die Künstler und Künstlerinnen des Vereins geben.
Vorstandsmitglieder der Künstlerschaft haben Mitspracherecht – etwa in der Programmjury. Was halten Sie davon?
Poelzl: Generell schätze ich das Engagement des Vereins und des Vorstandes.
Wollen Sie das System so beibehalten?
Poelzl: Wie gesagt, ich bin derzeit erst dabei einzutauchen. Ich bin keine Person, die von Anfang an alles auf null stellen will. Ich möchte überprüfen, was funktioniert und wo man noch schrauben kann.
Wie haben Sie die unterschiedlichen Häuser wahrgenommen?
Poelzl: Es ist absolut bemerkenswert, wie sich der Verein seit 1946 entwickelt hat und gewachsen ist. Wer hat schon drei Orte zur Verfügung? Ich möchte den Bogen hier noch fester spannen, den Menschen klarer machen, dass es drei Orte gibt. Es geht mir in erster Linie um das Sichtbarmachen. Vielleicht geht man dann irgendwann in die Neue Galerie, um eine Ausstellung zu sehen, um dann in den Kunstpavillon weiterzuziehen, weil hier der Faden weitergesponnen wird. Und dann noch zur Lecture nach Büchsenhausen.
Ihre Vorgängerin engagierte sich sehr stark kulturpolitisch. Werden Sie diesen Anspruch weiterverfolgen?
Poelzl: Ich bin bereits bei Treffen der „battlegroup for art“ dabei und habe vor, mich hier aktiv zu beteiligen. Auch das Vorhaben „pay the artist now!“ ist mir ein großes Anliegen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist das Angleichen von Honorarsätzen nach dem Honorarmodell der IG Bildende Kunst. Aber hier muss natürlich auch gerechte Bezahlung für Kulturarbeiterinnen und -arbeiter genannt werden – was auch die für Kunst und Kultur zuständige Staatssekretärin Ulrike Lunacek kürzlich zur Priorität erklärte. Da bleibt noch einiges zu tun. Also ja, natürlich werde ich mich kulturpolitisch beteiligen.
Das Gespräch führte Barbara Unterthurner