Neuer Anlauf nach gescheitertem EU-Haushaltsgipfel nötig

Rückschlag für Europa: Die 27 EU-Staaten sind sich bei einem Sondergipfel zur Haushaltsplanung Freitagabend nicht einig geworden, welche Aufgaben sie in den nächsten Jahren mit Vorrang anpacken und wie sie das finanzieren wollen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will sich nach dem Scheitern des Gipfels weiter mit den Nettozahlern koordinieren.

„Wir werden weiter als die ‚Sparsamen Vier‘ uns gut koordinieren und versuchen, dass es schon beim nächsten Gipfel einen Durchbruch gibt“, sagte Kurz in Brüssel. In der Diskussion seien die Unterschiede der EU-Staaten „nach wie vor sehr groß“ gewesen, „insofern wird es mehr Zeit brauchen, sich zu einigen“, sagte der Kanzler. Es wäre natürlich schöner gewesen, wenn es bei diesem Gipfel schon eine Einigung gegeben hätte. Es brauche nunmehr einen weiteren Gipfel. Kurz sieht dennoch eine gute Diskussion und eine „Bewegung in die richtige Richtung“. Er wolle eine EU, die stark in Zukunftsbereichen, im Außengrenzschutz und im Kampf gegen den Klimawandel agieren könne.

Obwohl der Sondergipfel ohne Einigung zu Ende gegangen ist, zeigte sich EU-Kommissar Johannes Hahn zufrieden angesichts des Verlaufs. Sowohl formelle als auch informelle Gespräche hätten in einem Geiste stattgefunden, „wo man sich gegenseitig die Augen schauen konnte“, so der Kommissar. „Es ist jeder hier weggefahren ohne Verletzungen, wenn man so will“, berichtete Hahn. Dies sei wichtig als Basis, damit EU-Ratspräsident Charles Michel in den nächsten Tagen und Wochen eine Einigung auf der Ebene des Rates erzielen könne. Sobald es weitere Reaktionen und Vorstöße gebe, werde Michel einen neuen Gipfel einberufen, meinte der Kommissar.

Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sahen viel Arbeit in den weiteren Verhandlungen auf sich zukommen, wie sie in Brüssel mitteilten. „Die letzten Wochen und die letzten Tage waren sehr arbeitsintensiv. Wir haben hart an einer Einigung gearbeitet. Leider haben wir heute aber feststellen müssen, dass eine Einigung nicht möglich war. Wir brauchen noch mehr Zeit“, sagte Michel.

EU-Parlamentspräsident Davis Sassoli zeigte sich „enttäuscht“. „Ich hoffe, dass die bevorstehenden Verhandlungen in eine bessere Richtung gehen werden als wir in den vergangenen Stunden gesehen haben. Unsere Union und unsere Bürger verdienen es“, sagte Sassoli.

Italien will zusammen mit Rumänien und Portugal einen neuen Vorschlag entwerfen. „Wir wollen einen Vorschlag vorlegen, der einem ehrgeizigerem Projekt für das EU-Budget entspricht“, sagte Conte. „Wollen wir ein ambitioniertes Europa, dann brauchen wir dementsprechende finanzielle Mittel“, sagte Conte im Gespräch mit Journalisten in Brüssel. Italien sei in seiner Linie nicht isoliert. „Die große Mehrheit der EU ist für ein ehrgeiziges Europa“, sagte Conte.

Auf dem Tisch lag kurz vor dem Abbruch als Diskussionsgrundlage ein Papier der EU-Kommission, das 1,069 Prozent der Wirtschaftsleistung der 27 EU-Länder als Ausgabenobergrenze der EU für die nächsten sieben Jahre vorschlug. Damit lag der Vorschlag um 0,005 Prozent unter jenem von EU-Ratspräsident Charles Michel in Höhe von 1,074 Prozent und kam jenen vier Nettozahler-Ländern - Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande - entgegen, die gegen eine Erhöhung des EU-Finanzrahmens sind und bei einem Prozent bleiben wollen.

Ein Diskussionspapier der EU-Kommission, das beim Gipfel von allen 27 EU-Staaten diskutiert werden sollte, sah laut Ratskreisen auch Rabatte für Österreich, Deutschland, Dänemark, die Niederlande und Schweden vor. So sollten diese Länder 100 Prozent ihrer Rabatte von 2020 im nominalen Wert weiter erhalten, hieß es. Für Österreich sei zudem ein Rabatt von 100 Millionen Euro vorgesehen gewesen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Freitagabend nach den mehr als 24-stündigen Verhandlungen, die Differenzen seien einfach zu groß gewesen. „Wir werden also auf das Thema zurückkommen müssen“, sagte die Kanzlerin.

Es ging um den Haushaltsrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 und damit auch um Hilfsgelder für Millionen Landwirte, Kommunen, Unternehmen oder Studenten. Eine Einigung ist diesmal besonders schwer, weil nach dem Brexit bis zu 75 Milliarden Euro britischer Beitragsgelder fehlen. Darauf verwies auch Michel nach dem Misserfolg.

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