SPÖ-Chefin: „Jenen Gehör verschaffen, die man nicht laut hört“
Immer mehr Sozialdemokraten kritisieren Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wegen der „Vertrauensfrage“. Sie verteidigt ihr Vorgehen.
Von Karin Leitner
Wien –„Rotes Foyer“ der SPÖ. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner spricht über ihre Begehren an die Polit-Verantwortlichen in Sachen Coronavirus, Vizeklubchef Jörg Leichtfried erläutert, was die Partei am Donnerstag, bei der Nationalratssitzung, beantragen wird – punkto Justiz, Tiertransporte und Transit.
Dass Inhaltliches auch bei dieser Pressekonferenz von Personellem überlagert wird, hat Rendi-Wagner zu verantworten. Einmal mehr wird sie zur „Vertrauensfrage“ und den Reaktionen von Genossen darauf befragt.
Vergangenen Freitag hat sie zur Überraschung der Gesinnungsfreunde kundgetan, dass sie bei der Mitgliederbefragung von 4. März bis 2. April auch darüber entscheiden lassen wird, ob sie Vorsitzende bleiben soll – oder ob Schluss ist mit dieser Führungsfunktion.
Sozialdemokraten hat sie mit diesem Alleingang verärgert. Sie muss fürchten, dass sich viele an der Umfrage nicht beteiligen – und dass viele derer, die mitmachen, „Nein“ sagen zu einer weiteren Vorsitzschaft.
Der neue Chef der Sozialistischen Jugend (SJ), Paul Stich, hat im Interview mit der Tiroler Tageszeitung gesagt: „Das Problem kann man nicht an einer Person festmachen, das liegt tiefer. Den Sinkflug gibt es nicht erst, seit Pamela Rendi-Wagner Vorsitzende ist. Dennoch ist die aktuelle Parteispitze in Verantwortung, wenn es darum geht, Maßnahmen einzuleiten, um aus dem Tief zu kommen. Diese Maßnahmen sehen wir nicht. Wir werden Rendi-Wagner daher nicht das Vertrauen aussprechen.“ Die SPÖ müsse sich „neu aufstellen“.
Was sagt Rendi-Wagner zu Stichs Befund? „Das öffentliche Ausrichten, das Kritisieren, das öffentliche Hickhack und die interne Selbstbeschäftigung“ seien „nichts Neues“ für sie. Und was die Mitgliederbefragung anlangt: „Mir geht es darum, jenen Stimmen mehr Gehör zu verschaffen, die man nicht so laut jeden Tag in Interviews hört.“ Das Verhalten der SJler scheint sie aber zu enttäuschen. Gerade sie habe „die Jugend immer gefördert“, sagt Rendi-Wagner. Und sie habe dafür gesorgt, dass die vormalige SJ-Frontfrau Julia Herr einen wählbaren Listenplatz für die Nationalratswahl bekommen hat; und diese sei als Abgeordnete mit dem wichtigen Thema Klimaschutz betraut.
Der Delegationsleiter der SPÖ im EU-Parlament, Andreas Schieder, kann den Unmut der SJler nachvollziehen. „Ich verstehe, dass die Jungen ein bissl angefressen sind“, sagte er in Ö1. „Man würde erwarten, dass sich die SPÖ weniger mit sich selbst und der Frage ,Wie steht man zur Vorsitzenden?‘ dauernd beschäftigt. Es gibt viele aktuelle brennende Themen: Klimawandel, die soziale Spaltung, das Minus in der Gesundheitskasse, der Eurofighter-Skandal. Alles Fragen, wo es ganz dringend die SPÖ viel lauter und hörbarer bräuchte, nicht immer das Augenmerk auf den eigenen Nabel.“
Die Befragung hält der aus der Wiener SPÖ kommende ehemalige Klubobmann Schieder für „taktisch ungeschickt und unnötig“. Er „denke schon“, die Fragen zu beantworten. Es wäre ihm aber „am liebsten, wir würden sie schnell wieder zu den Akten legen – und in die politische Arbeit wechseln“.
Neben der „Vertrauensfrage“ gibt es 15 inhaltliche Fragen – zu sozialdemokratischen Verlangen wie dem Aus für die Mehrwertsteuer auf Mieten, Pension ohne Abschläge nach 45 Jahren, eine jährliche Klimaschutz-Milliarde, Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr und höhere Besteuerung von Leuten mit Millionenvermögen.