„Innsbruck International“: Aktivismus durchdekliniert
Die vierte Ausgabe von „Innsbruck International“ startet am 6. März. Inhaltlich knüpft die Innsbrucker Kunst-Biennale an 2018 an und wirft vorsichtige Blicke in die Zukunft.
Von Barbara Unterthurner
Innsbruck –Sie wolle die „Agents of Social Change“ wieder in die Stadt bringen, sagt Tereza Kotyk, Leiterin von „Innsbruck International“. Unter diesem Motto stand die Kunst-Biennale 2018. Weil der „Social Change“ aber bis heute unerreicht scheint, will die vierte Ausgabe, die mit der Eröffnung am 6. März startet, hier nochmals anknüpfen. Unter dem Stichwort „Human Capital“ wird Aktivismus durchdekliniert: auf sinnliche, körperliche oder zukunftsgewandte Art und Weise. „In Zeiten, wo wir als Menschen zu Nummern werden, möchten wir persönlichen Aktivismus weiter herausfordern und ihm ein Gesicht geben“, so Kotyk.
Im Team (mit den Kuratoren Franziska Heubacher, Chris Clarke und Christian Glatz) bringt die Biennale-Leiterin dafür Kunstschaffende unterschiedlichster Disziplinen nach Tirol, die mit ihren Werken Effekte von Populismus auf das Verhalten und die Verantwortung des Einzelnen aufzeigen sollen.
Man wolle Kunst präsentieren, die direkt mit dem Publikum in Dialog tritt, so Kotyk. Und leitet damit auf das prominenteste Werk dieser Biennale über, „End Credits“ von Oscar- und Turner-Preisträger Steve McQueen. McQueen bringt den Zusehern darin das Leben des schwarzen Bürgerrechtlers Paul Robeson (1898–1976) näher – oder wenigstens eine Version davon. Robeson, der mit dem Sozialismus sympathisierte, wurde in den USA der McCarthy-Ära staatlich überwacht und weitestgehend isoliert. Aktenmaterial saust in „End Credits“ über die Leinwand. Seit 2012 läuft das Projekt und ist noch lange nicht abgeschlossen: Die Innsbrucker Biennale ist Co-Produzent von „End Credits“ und ermöglicht damit mit anderen Unterstützern die kontinuierliche Aufarbeitung des Falls.
Lebenslanges politisches Engagement kennzeichnet auch Etel Adnan. Sie gehört als Autorin zu den wichtigsten Stimmen im Libanon der 70er-Jahre, suchte später im Exil in der Malerei einen Ausweg aus der Begrenztheit der Sprache. „Innsbruck International“ zeigt abstrakte Arbeiten der heute 95-Jährigen im Kesselhaus sowie zwei ihrer Stücke („Nacht“ im Musikpavillon im Hofgarten; „A Funeral March for the First Cosmonaut“ im Kreuzgang des Servitenklosters), die in Zusammenarbeit mit Komponistin Ulrike Haage zu sinnlichen Klanginstallationen wurden.
Eine körperliche Ausformung des Aktivismus verhandeln Isaac Chong Wai und Akemi Takeya in ihrer Kunst. Beide sind sowohl performativ als auch mit Installationen an gleich mehreren Orten in Innsbruck sehen. Neben weiteren internationalen Gästen sind auch Tiroler Kreative wie Martin Gostner, Teresa Waas, Thomas Larcher (Reihe Cinématons) oder Julia Rhomberg Teilnehmer der Biennale.
Damit ein Sprechen über persönliches Engagement nicht in der Vergangenheit stecken bleibt, will „Innsbruck International“ mit dem „Future Day“ auch auf das Morgen blicken. In partizipativen Formaten werden Möglichkeiten des (sozialen) Wandels erörtert – selbstreflexiv befragt: Wie kann ein derartiges Event „social“ oder „green“ werden? Anregungen erhofft man sich u. a. von der 20-jährigen Aktivistin Clover Hogan von „JUV Consulting“, einer Art Agentur, die sich mit ihrer Arbeit um die Belange der Generation Z kümmert.
Inwiefern sich „Innsbruck International“ in Zukunft entwickelt, ist für die Organisation Thema: Ein im Vergleich zu 2018 leicht erhöhtes Budget auf inzwischen rund 170.000 Euro lasse kaum Spielraum zu. Mit ihrem Anspruch, Kunst in höchster Präzision zu zeigen und sich inhaltlich so weit zu öffnen, dass möglichst viele angesprochen werden, strebt Kotyk dennoch eine Erweiterung der einzigen Biennale für zeitgenössische Kunst in Österreich an. Auf lange Sicht: die Dimension des steirischen herbsts.
Innsbruck International
Biennial of the Arts. 7. bis 22. März. Programm, Orte & Tickets: 2020.innsbruckinternational.com