Stark und perfekt: Viele junge Mädchen sind überfordert
Die einen sollen Karriere machen, die anderen eine Familie gründen. Junge Mädchen selbst suchen aber vor allem Halt im Leben.
Wien –Wie tickt die weibliche Generation Z? Wo sehen die jetzigen Teenager und jungen Frauen ihren Platz in der Gesellschaft – auch später als Erwachsene? Wie schwer haben sie es, sich in der Männerwelt zu behaupten und privat wie beruflich gleichberechtigt zu sein?
Wir als Mütter wünschen uns natürlich nichts mehr, als dass unsere Mädchen selbstbewusst und gleichberechtigt sind. Wie sieht das Frauenbild der Generation Z aus?
Bernhard Heinzlmaier: Man muss hier nach sozialem und kulturellem Hintergrund unterscheiden. Die Teenager, die im oberen Drittel der Gesellschaft geboren sind, müssen das Frauenbild unserer neoliberalen, ökonomisierten Gesellschaft erfüllen. Sie müssen schon als junge Mädchen überall bestehen, immer stark und perfekt sein, sich sozial durchsetzen. Sie sind von allen diesen Erwartungen, die an sie gestellt werden, sehr überfordert.
Man tut diesen Mädchen also nichts Gutes, wenn man sie zu toughen jungen Frauen erzieht?
Heinzlmaier: Nein, leider gar nicht. Wenn man will, dass sie durchsetzungsfähig und erfolgreich werden, erreicht man nur, dass sie männliche Verhaltensweisen annehmen. Dass sie einmal wie Männer in unserer Arbeitswelt bestehen, wo es um Geld und Karriere und um hohe Arbeitsleistung geht und darum, immer besser als die Konkurrenz zu sein. Dieses Paket an Anforderungen erzeugt unglaublichen Druck. Folge ist, dass die Depressionen bei Teenagern zunehmen.
Wohin geht der Weg der jungen Frauen aus der sozialen Mitte?
Heinzlmaier: In der Mittelschicht findet eine Re-Traditionalisierung statt. Hier wird von den jungen Frauen vor allem erwartet, dass sie sich konformistisch verhalten. Man sollte einen ordentlichen Beruf haben und Ehe und Familie wieder hochhalten. Und da wären natürlich noch die Rechte der Frauen im unteren Drittel. Für sie interessiert sich die Gesellschaft nur wenig. Sie müssen in patriarchalen, autoritären Verhältnissen bestehen.
Wo sehen sie diese patriarchalen Verhältnisse am stärksten?
Heinzlmaier: Ich denke da besonders an die – unter den Schleier gezwungenen – (jungen) muslimischen Frauen. Leider ist hier Einmischung nicht gewünscht und leider ist es auch unmöglich, das Thema in der Öffentlichkeit zu diskutieren, weil man sofort als religionsfeindlich und rassistisch abqualifiziert wird.
In der Gleichberechtigungsdiskussion geht es auch um das Thema halbe-halbe. Sollen wir unseren Töchtern sagen, schaut drauf, dass ihr in einer Partnerschaft bei den Alltagsarbeiten auf halbe-halbe setzt, sonst seid ihr später als Mütter unglücklich und überfordert und landet im Burnout?
Heinzlmaier: Familie ist nichts technokratisches, kein Unternehmen, in dem man Gerechtigkeit herstellen muss. Man ist nicht glücklicher, nur weil man halbe-halbe den Geschirrspüler einschaltet oder staubsaugt. Glücklich ist man, wenn man sich in der Partnerschaft vertrauen und sich gut verständigen kann.
Bringen nicht auch die sozialen Medien junge Frauen unter Druck? Man muss dauernd zeigen, dass im Leben alles super läuft, man alles perfekt macht und perfekt ist.
Heinzlmaier: Die sozialen Medien vergiften die Gesellschaft. Diese Selbstinszenierungspflicht und auch quasi die Pflicht, dauernd Aufmerksamkeit zu erregen, sich selbst ununterbrochen zu optimieren und von außen einer permanenten Evaluierung unterworfen zu sein, tut keinem Menschen gut.
Was suchen die jungen Mädchen selber, was ist ihnen wichtig?
Heinzlmaier: Wie diverse Umfragen zeigen, sind über zwei Drittel der weiblichen Teenager damit beschäftigt, Halt im Leben zu suchen. Sie wünschen sich, aufgehoben zu sein, einen sicheren Rückzugsort zu haben, Stabilität und eine ehrliche Partnerschaft.
Wo und wie können sie ihr Glück finden?
Heinzlmaier: Man kann – bildlich gesprochen – einen Rucksack nehmen und mit dem da und dort die persönlichen Glücksmomente im Leben aufsammeln.
Und dieses Glück findet man am besten in der goldenen Mitte?
Heinzlmaier: Für den Weg der goldenen Mitte hat schon Aristoteles plädiert. Ein bisschen Erfolg zu suchen, ein bisschen die traditionellen Werte – die nicht alle falsch sind – hochzuhalten. Und das Schönste wäre, wenn man dieses Leben selbstbestimmt führen kann. Dass man das tun darf, was man auch tun möchte.
Das Interview führte Brigitte Warenski