Innenpolitik

Innenpolitische Gefechte in Zeiten der Krise

Anschober hat auf Kritik anders reagiert als Kurz. Die ÖVP reagiert darauf mit einer Aufforderung an den Grünen.
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Was vor der Pandemie war, gibt es wieder: Die Opposition kritisiert die Regierung. Aber es gibt auch Neues: Zwist zwischen ÖVP und Grünen.

Von Karin Leitner

Wien – Zum „nationalen Schulterschluss“ hat die Bundesregierung zu Beginn der Corona-­Krise aufgerufen. Die Oppositionellen machten mit, hießen die ersten Corona-­Hilfspakete im Nationalrat gut. Das taten sie nicht, weil ihnen alles gefiel, was Türkise und Grüne ersonnen haben. Sie wollten nicht als kleinliche Kritiker dastehen – in einer für alle schwierigen und belastenden Zeit.

Das hat sich mittlerweil­e geändert. Alle Parteien schauen auch wieder auf ihre jeweiligen Interessen. Es gibt erneut Verbal­gefechte.

SPÖ, FPÖ und NEOS kritisieren die Koalitionäre. Was nicht verwunderlich ist. Erst recht nicht, da diese ob ihrer Pressekonferenzen quasi omnipräsent sind – und bei den Bürgern an Zuspruch zulegen. Vor allem die ÖVP profitiert.

Laut einer Unique-Research-Umfrage für profi­l ist die Kanzlerpartei der absoluten Mehrheit nahe. Sie kommt auf 48 Prozent – ein Plus von neun Prozentpunkten für die Truppe von Sebastian Kurz. Dahinter liegen die SPÖ von Pamela Rendi-Wagner und die Grünen von Vizekanzler Werner Kogler mit je 16 Prozent. Die von Norbert Hofer geführte FPÖ würde derzeit von lediglich 13 Prozent der Bürger gewählt. Die NEOS, der Beate Meinl-Reisinger vorsteht, halten bei sechs Prozent.

Es gibt aber auch Neue­s abseits von Umfragewerten. Von Anfang ihres Bündnisses an haben sich hochrangige Vertreter der Volkspartei und der Grünen öffentlich eines Sinnes gegeben. Die Ökos trugen vieles mit, was sie einst moniert hatten. Auch bei den Auftritten von Kanzler, Vizekanzler und den Ressortchefs in den vergangenen Wochen gab es keinen Widerspruch – bis zur Debatte darüber, ob all die Gesetz­e und Verordnungen, die es wegen der Lage nun gibt, verfassungskonform sind. Juristen zweifeln das an; es gibt bereits Klagen beim Höchstgericht.

Kanzler Kurz hat, dazu befragt, gesagt: Dass manche Gesetzestexte möglicherweise mangelhaft seien, liege daran, „dass wir schnell gehandelt haben“. Es gehe darum, dass die Regeln befolgt werden – „und die Republik funktioniert. Ob alles auf Punkt und Beistrich in Ordnung ist“, würden letztlich die Verfassungsrichter beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt würden die Maßnahmen ohnehin nicht mehr gelten.

„Ich erwarte mir, dass Bundesminister Anschober die Sache in die eine oder andere Richtung rasch klärt.“ Karoline Edtstadler 
(ÖVP-Ministerin)
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Ein paar Stunden später äußerte sich Grünen-Gesundheitsminister Rudolf Anschober anders zur Causa. Sollte es etwas zu bereinigen geben, werde das „selbstverständlich“ gemacht. Er beauftragte Experten, darunter Ex-Interimsjustizminister Clemens Jabloner, Gesetze, Verordnungen und Erlässe dahingehend zu begutachten, auch zu schauen, was missverständlich ist. Nun adressiert ÖVP-Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, die in der Regierung für Verfassungsfragen zuständig ist, den Grünen nicht wohlwollend coram publico: „Wenn Bundesminister Rudolf Anschober der Meinung ist, dass die Verordnungen und Erlässe aus seinem Ressort nicht gesetzes- und verfassungskonform sind, erwarte ich mir, dass er die Sache in die eine oder andere Richtung rasch klärt – und die Bevölkerung nicht lange in Unsicherheit lässt.“ Millionen Menschen hielten sich an die Ausgangsbeschränkungen des Gesundheitsministeriums – und würden sich darauf verlassen, „dass die Verordnungen und Erlässe gesetzes- und verfassungskonform sind“. Für Edtstadler sind „die Regelungen rechtmäßig“.

Anschober reagiert nicht auf die Aussagen der ÖVP-Regierungskollegin. Die SPÖ kommentiert die Angelegenheit natürlich. Sie rügt Kurz & Co. „In der Lockerungs­phase öffnen offenbar nicht nur die Geschäfte wieder, sondern auch der Regierungsstreit wird öffentlich ausgetragen“, befindet Geschäftsführer Christia­n Deutsch. Der Kanzler schicke Edtstadle­r aus, „um Anschober die alleinige Verantwortung zuzuschieben und ihn anzupatzen“. Machtspielchen seien nun „fehl am Platz“, sagt Deutsch.

Auch wenn sich der SPÖ-Mann empört – Zwist von Koalitionären hat die Oppositionellen seit jeher erfreut. Er tut es wohl auch jetzt, hoffend, dass der Zank Türkisen und Grünen schadet – und deren Hoch kein dauerhaftes ist. Immer mehr beklagen Rote, Blaue und Pinke das Treiben der Regierungsparteien.

Die SPÖ drängt darauf, einen Corona-Unterausschuss zu installieren, um die Milliarden-Hilfe für die Wirtschaft parlamentarisch kontrollieren zu können. Die Konstruktio­n der Covid-19 Finanzierungsagentur COFAG, die Steuergeld an Unternehmen gibt, sei intransparent, konstatiert Parteichefin Rendi-Wagner. Mit der FPÖ und den NEOS bringt die SPÖ dazu am Mittwoch im Plenum ihren Antrag ein.

Die Blauen trachten darüber hinaus danach, mit einem anderen Begehren zu punkten. Klubchef Herbert Kickl will, dass Lokale mit Gastgärten sofort aufgesperrt werden dürfen. „Der Betrieb im Freien“ sei zu erlauben.