Kammerspiel

„Patagonien“ von Carolina Schutti: Am Ende der Welt auf sich geworfen sein

Carolina Schutti wurde 1976 in Innsbruck geboren.
© Hedi Neuerer

Die Tirolerin Carolina Schutti schreibt mit „Patagonien“ ein Kammerspiel, das viel über die menschliche Psyche verrät, aber zu viel offen lässt.

Innsbruck – Ein zweites Leben soll begonnen werden, in dieser minimalistischen Touristenunterkunft in Patagonien. Dort, wo die Straße endet, muss ein Neuanfang gelingen. Letztlich findet alles jedoch zu seinem Ende.

Mit knappen Worten, nahezu als Gedicht, skizziert Carolina Schutti zu Beginn ihres neuen Romans „Patagonien“ dieses Niemandsland: Bilder, Scherben und Splitter: Ein rostiger Nagel.

Ein Haus.

Ein Camp.

Ein Wasserrad.

Eine Sauna.

Ein Dach.

Die Tirolerin wurde 2016 mit dem Hilde-Zach-Literaturstipendium gefördert, „Patagonien“ ist daraus entstanden, wie auf der letzten Seite zu lesen ist. In diesem Destillat taucht die Schriftstellerin tief in die unwirtliche Gegend ein (man bezeichnet den gesamten südlichen Zipfel Südamerikas als Patagonien).

Das bei Abenteurern beliebte Reiseland wird auf Plattformen so beschrieben: Patagonien – das bedeutet Leere, weite, öde Pampas, lange Wege, menschenleeres Gebiet und unbeständiges windiges Wetter.

Schutti wühlt sich dort in die Psyche von einem Häufchen Menschen, die sich am Ende der Welt häuslich eingerichtet haben. Deren Monotonie erfährt durch eine Neuankommende beachtliche Irritation. Nur die gehandicapte Neue darf in Rückblenden in Ansätzen die Geschichte erzählen, die sie zur Person gemacht hat, die sie nun ist. Der Leser erfährt den Ursprung der Wunden, die ihr das Leben, besser gesagt die Mitmenschen, schon früh zugefügt haben.

Die anderen scheint dieser Ort von allem abgetrennt und in ein neues Universum katapultiert zu haben. Dort lieben sie sich und werden an ihre Grenzen geführt. Denn die Natur, die sie sich schrittweise und auch mit Touristen erobern, verzeiht keine Unachtsamkeiten. Manche Wendungen lassen einen ratlos zurück, wohl weil Personen seltsam unscharf in ihrer Charakterisierung bleiben.

Die einzige Verbindung zur Außenwelt sind neben den Touristen, die nur als Statisten fungieren, die langen Einkaufsfahrten in die nächstgrößere Stadt. Der alte Wagen ist das Wertvollste, das die Aussteiger besitzen. Das Buch liest sich wie ein Auftakt zu einer Serie und endet viel zu abrupt. Das Destillat ist süffig, zu viele Fragen bleiben letztlich aber offen. (ho)

Roman Carolina Schutti: Patagonien. Edition Laurin 2020. 136 Seiten, 18,90 EUR.

hörBar. Radio Freirad überträgt in Kooperation mit dem Literaturhaus am Inn am Mittwoch, 29. April, die Präsentation des neuen Buches von Carolina Schutti. Anna Rottensteiner moderiert. Beginn: 19 Uhr.

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