Lichtspiele im Lockdown: Die Filmwelt in der Corona-Krise
Corona sorgt auch in der Filmwelt für Stillstand. Heimische Filmschaffende hoffen auf ein Hilfspaket in Millionenhöhe und klare Regeln für den Neustart.
Von Joachim Leitner
Innsbruck – 6747 Dollar, also etwa 6200 Euro. So viel hat das Drama „Resistance“ bislang in den US-Kinos eingenommen. Unter gewöhnlichen Umständen ein Desaster. Aber die Zeiten sind außergewöhnlich – und „Resistance“, Karl Markovics spielt in der deutsch-französisch-amerikanischen Koproduktion eine Nebenrolle, ist eine von wenigen Neuproduktionen, die derzeit überhaupt im Kino laufen. Mit Ausnahme einiger Autokinos sind auch in den USA alle Kinos geschlossen. Weshalb „Resistance“ noch vor wenigen Tagen an der Spitze der Kinocharts stand. „Trolls World Tour“ scheint dort gar nicht auf. Obwohl der von Universal produzierte Animationsfilm seit Mitte März allein in den USA mehr als 100 Mio. Dollar eingespielt hat. Allerdings nicht im Kino, sondern online. Als erstes großes Studio hat Universal auf den coronabedingten Lichtspiellockdown reagiert – und verleiht seine Neuproduktionen derzeit kostenpflichtig auf den einschlägigen Streamingplattformen.
Bestärkt durch den kommerziellen Erfolg dieser Notmaßnahme kündigte Studiochef Jeff Shell nun an, sie auch in virusfreier Zeit beibehalten zu wollen. Die einflussreiche US-Kinokette AMC konterte prompt: Sollte das passieren, werden Universal-Filme fortan boykottiert. Und alle Studios, die Ähnliches planen, auch. AMC betreibt in den USA rund 6000 Kinos und hat Anteile an Ketten in Europa und Asien.
Oscars ändern Statuten
Gerade kommerzielle Kinos standen schon vor Corona unter starkem ökonomischem Druck. Durch Streamingdienste wie Netflix erwuchs ihnen in den vergangenen Jahren große Konkurrenz. Und die profitiert auch von der gegenwärtigen Krise. Netflix machte zuletzt einen neuen Rekord an Neuanmeldungen öffentlich.
Nun wurde den Videoplattformen auch der Zugang zu Hollywoods höheren Weihen erleichtert: Wie die Academy of Motion Pictures Arts and Sciences mitteilte, werden angesichts geschlossener Kinos die Oscar-Statuten gelockert. 2021 sind auch Produktionen wahlberechtigt, die nicht im Kino zu sehen waren. Bislang galt die Regel, dass nur Filme ins Oscar-Rennen dürfen, die im Laufe eines Jahres an sieben aufeinanderfolgenden Tagen in einem Kino in Los Angeles zu sehen waren. Daher brachte Netflix seine Hochglanzproduktionen – zuletzt etwa Martin Scorseses „The Irishman“ – für kurze Zeit ins Kino.
Doch auch die Oscar-Anwärter von morgen müssen zunächst einmal gedreht werden. Und das ist derzeit weder in Hollywood noch hierzulande möglich. Seit die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Kraft getreten sind, herrscht Stillstand. Und der Stillstand bedroht Existenzen. „Kleine Produktionsfirmen überstehen zwei Monate Zwangspause nicht“, sagt Fabian Eder vom Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden. Daher gelte es nun größtmögliche Klarheit zu schaffen, „unter welchen Bedingungen wieder gedreht werden kann“. Darüber haben Eder und weitere Branchenvertreter gestern Nachmittag mit Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) gesprochen. Das Treffen sei eine Bestandsaufnahme gewesen, sagt Eder. Lunacek habe zugesichert, sich für die Anliegen der Filmschaffenden einzusetzen. „Vieles fällt allerdings nicht in ihr Ressort“, so Eder.
ORF hält sich noch zurück
Während für Printmedien zuletzt ein Hilfspaket von rund 30 Mio. Euro geschnürt wurde, gebe es für Film- und Fernsehproduktionen derzeit nichts Vergleichbares, sagt Eder. Da Medienpolitik nicht in Lunaceks Aufgabenbereich fällt, könne sie diese Forderung nur weitergeben. Zur Abdeckung bisher entstandener Schäden sei ein Hilfspaket von 27 Mio. Euro notwendig. Außerdem gelte es für die Zukunft Rechtssicherheit zu schaffen. „Hier ist vor allem die Versicherungsfrage zu klären“, sagt Fabian Eder.
Wenn Drehs neuerlich abgebrochen werden müssten, tragen nach derzeitigem Stand die Produzenten das Risiko. Die Auftraggeber, etwa der ORF, hätten sich in dieser Frage bislang aus der Verantwortung gestohlen, kritisiert Eder. Während sich in Deutschland die öffentlich-rechtlichen, aber auch die privaten Sender, dazu bereiterklärten, für die Hälfte der Schäden zu haften, wolle „der ORF als größter Auftraggeber des Landes nach wie vor von Fall zu Fall entscheiden“. Daher plädiert Eder dafür, dass es im Notfall eine staatliche Haftung geben soll. Das allerdings würde in den Zuständigkeitsbereich von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) fallen.
Noch ungeklärt ist derzeit die Zukunft des heimischen Kinobetriebs. Auch dazu gab es gestern ein Treffen von Lunacek und Vertretern der Branche. Dieses war bei Redaktionsschluss noch im Gange. Wie für andere Veranstalter stehen auch für Kinos derzeit kaum umsetzbare Sicherheitsvorgaben im Raum, etwa die 20-Quadratmeter-Regelung im Zuschauerraum sowie Abstandsvorgaben beim Ein- und Auslass. Diese machen vielfach auch die Ausrichtung von Freiluftveranstaltungen unwahrscheinlich, etwa dem Innsbrucker Zeughaus-Kino.