SPÖ beleuchtete in TV-Doku Geschichte des Tags der Arbeit
Der 1. Mai wird heuer im Zeichen der Corona-Pandemie und des dadurch ausgelösten Rekordstands an Arbeitslosen begangen. Der Wiener Rathausplatz bot ein völlig anders Bild als sonst: Er war so gut wie leer. Statt der traditionellen Kundgebung der SPÖ am Rathausplatz wurde eine Fernsehdokumentation produziert, die auf mehreren TV-Kanälen sowie online zu sehen war.
In der SPÖ-Sendung wurde die Historie der Maifeierlichkeiten beleuchtet. Auch die Spitzen der Sozialdemokratie kamen zu Wort. Ausgestrahlt wurde die rund 90-minütige Doku ab 10.30 Uhr, also in etwa zu jener Zeit, in der auch am Rathausplatz die Reden begonnen hätten. Begrüßt wurden die Zuseherinnen und Zuseher vom Wiener Landesparteichef und Bürgermeister Michael Ludwig, dessen Adjustierung zu Beginn - in der ersten Einstellung war er mit Mund-Nasen-Schutz zu sehen - schon auf den aktuellen inhaltlichen Schwerpunkt der Produktion hinwies: Die Coronaviruskrise.
„Der 1. Mai 2020 ist anders als sonst“, hielt Ludwig fest. Er zeigte sich überzeugt, dass die Auswirkungen der Krise etwa auf den Arbeitsmarkt eine starke Sozialdemokratie erfordern. „Gemeinsam mit den Sozialpartnern und dem Gewerkschaften werden wir darauf achten, dass nicht die Bevölkerung die Zeche zahlt, nicht jene, die jetzt schon hohe Leistung erbringen, die Heldinnen und Helden des Alltags sind, die aber wenig davon haben, dass man sie beklatscht und ihnen auf die Schulter klopft, sondern wo es darum gehen muss, die Einkommen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.“
Er warnte vor großen Interessenskonflikten und Verteilungskämpfen. Die Sozialdemokratie werde jedoch so wie in der Vergangenheit an der Seite der Menschen in der Stadt stehen, beteuerte er. Ins selbe Horn stießen auch Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl, ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und die Wiener SPÖ-Frauenvorsitzende Marina Hanke. Verwiesen wurde dabei unter anderem auf das gemeinsam mit den Sozialpartnern umgesetzte aktuelle Kurzarbeitszeitmodell, wobei Katzian konstatierte: „Der Markt regelt jetzt gar nichts, der Sozialstaat regelt.“
SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner betonte: „Der Shutdown hat die Menschen niedergeworfen, wir müssen ihnen wieder aufhelfen und dürfen niemanden zurücklassen.“ Denn vielen Menschen sei nun die Lebensgrundlage weggerissen worden. Auch sie befand, dass die Krise zeige, wie wichtig der Sozialstaat sei. Und es mache sich nun bezahlt, dass die Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren sich für den Erhalt des Gesundheitssystems eingesetzt habe - auch gegen Widerstände, wie sie sagte.
Neben jenen, die am 1. Mai wohl auch am Rathausplatz aufgetreten wären, waren auch eine Reihe weiterer Personen interviewt worden. In der Sendung waren etwa eine Pflegekraft, ein Polizist, eine Kindergärtnerin, eine Lehrerin, ein Feuerwehrmann, ein Mitarbeiter der Müllabfuhr oder auch ein Straßenbahnfahrer zu sehen. Die 130-jährige Gesichte der Maiaufmärsche wurde vom Historiker Wolfgang Maderthaner erläutert.
Ein großer Teil der Doku, in der auch historisches Filmmaterial gezeigt wurde, ist im Karl-Marx-Hof gedreht worden. Das Gespräch mit Rendi-Wagner hat in der ehemaligen Villa des früheren SPÖ-Bundeskanzlers Bruno Kreisky stattgefunden. Zum Schluss wurde - wie am Rathausplatz sonst auch - gesungen. Das „Lied der Arbeit“ und die „Internationale“ waren zumindest in Form von Aufnahmen von Aufmärschen der vergangenen Jahre zu hören.
Die Lücke am Wiener Rathausplatz nutzten andere Proponenten - aus höchst unterschiedlichen politischen Lagern - für Aktionismus. Die Sozialdemokratie war zumindest mit einigen Plakaten präsent, auf denen groß „Freundschaft“ zu lesen war, flankiert von überdimensionalen Pappnelken. Rote Fahnen waren aber auch ganz in echt zu sehen. Die linke Initiative „Selbstbestimmtes Österreich“ hielt nämlich ab 10.00 Uhr eine kleine Kundgebung ab - genau dort, wo ansonsten die sozialdemokratischen Spitzenfunktionäre am 1. Mai ihre Reden halten.
Tribüne war jedoch keine aufgebaut, man begnügte sich mit Lautsprecher und Mikrofon. Am Asphalt waren mit Kreide Sterne aufgemalt worden. Das war keinesfalls nur eine politische Botschaft, sondern eine Notwendigkeit. Sie markierten den nötigen Abstand, denn die Ein-Meter-Coronavirus-Regel gilt auch für Demonstrationen.
Ohne besondere Vorkommnisse lief auch die zweite nennenswerte politische Kundgebung gegen die Covid-19-Politik der Regierung in Wien ab. An die 400 Menschen versammelten sich nach einem Aufruf der Initiative für evidenzbasierte Corona-Informationen (ICI) vor dem Bundeskanzleramt. Gefordert wurde das sofortige Ende aller Corona-Maßnahmen. Als Redner traten unter anderem der Rechtsanwalt Roman Schiessler und der Arzt Christian Fiala auf, der das „Social Distancing“ als Folter bezeichnete, was mit großem Beifall beantwortet wurde. „Aus medizinischer Sicht gibt es keinen Grund, vor diesem Virus Angst zu haben“, sagte der Allgemeinmediziner und Gynäkologe.
Die FPÖ drehte ein Video, in dem der geschäftsführende Obmann der Wiener Blauen, Dominik Nepp, die Absage der traditionellen Maikundgebung begrüßt und höhnte über „sozialistische Bonzen“, die sich sonst am Rathausplatz „abfeiern“ lassen. Allerdings wurde auch der Bund - konkret das Vorgehen bei den Virus-Gesetzgebungen - ins Visier genommen.
Einige kapitalismus- und regierungskritische Gruppierungen wollten aber auch in Zeiten der Pandemie nicht auf 1. Mai-Demos verzichten. In Wien wurden 15 Versammlungen angemeldet. Die Polizei wird die Einhaltung der Sicherheitsregeln - Maske und Abstand - überwachen, die Verantwortung dafür tragen die Veranstalter. Die größte Ansammlung - mehr als 500 Menschen - erwartet die Polizei bei der Schlusskundgebung der „mayday“-Demonstration am Abend am Rathausplatz.
Einige Werktätige bekamen Besuch von Regierungsmitgliedern. Türkise und grüne Minister und Ministerinnen waren über Österreich verstreut unterwegs, um sich bei Mitarbeitern der Lebensmittel- oder Stromversorgung, in Verkehrsbetrieben, bei Polizisten, Richtern, Justizwache, Pflegerinnen bis hin zu Tierbetreuern zu bedanken.
Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) nahm „Hoch der 1. Mai“ in diesem Jahr wörtlich. Er hielt am Freitag auf dem Schlot des früheren Semperit-Werkes in der roten Hochburg im südlichen Niederösterreich eine kurze Ansprache. Der gesicherte Aufstieg in luftige Höhe hatte etwa 20 Minuten gedauert. Zu verfolgen war das Spektakel via Facebook auf dem Profil des Stadtchefs.