Coronakrise

Abgesagte Sport-und Kulturevents: Gutscheine, um Pleiten abzuwenden

Großveranstaltungen (im Bild das Frequency Festival 2018) wurden heuer reihenweise abgesagt. Der finanzielle Schaden ist enorm.
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Eventtickets um fast 500 Millionen Euro waren vor Corona verkauft worden. Die Veranstalter müssen nur einen Teil zurückzahlen. Nicht allen gefällt das.

Von Markus Schramek

Wien, Innsbruck – Es ist eine zutiefst österreichische Lösung – man muss genau hinsehen, um durchzublicken. Unter dem Titel „Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz“ hat der Nationalrat das so genannte Gutscheinmodell beschlossen, für Sport-und Kulturveranstaltungen, die aufgrund der Corona-Krise abgesagt wurden.

Türkis, Grün und NEOS waren für das Gesetz, SPÖ und FPÖ dagegen. Rot und Blau könnten das Gutscheinmodell mit ihrer Mehrheit im Bundesrat noch einige Wochen verzögern. Kommen wird es aber. Und zwar so:

Veranstalter können für Tickets abgesagter Veranstaltungen im Wert bis zu 70 Euro einen Gutschein ausstellen, statt Geld zurückzuzahlen. Bei Tickets bis zu 250 Euro können 70 Euro als Gutschein und 180 in Cash abgegolten werden. Für noch teurere Karten jenseits der 250 Euro sind ebenfalls maximal 180 Euro in Geld fällig, der Rest ist als Gutschein möglich.

Für Veranstalter im Eigentum der öffentlichen Hand, wie die Bundes- und Landestheater, gilt das Gutscheinmodell nicht. Aus Steuergeld finanzierten Kulturbetrieben droht in aller Regel nicht die Pleite, wenn sie Tausende Tickets zurückerstatten müssen. Bei privaten Veranstaltern ist das viel eher zu befürchten. Denn es geht um gewaltige Summen: Tickets im Wert von 480 Millionen Euro waren nach Schätzungen in Österreich für Sport- und Kulturevents verkauft, bevor Corona kam.

Dem Konsumenten fehlt beim Gutscheinmodell jede Wahlfreiheit. Er wird entmündigt.
Peter Kolba (Obmann des Verbraucherschutzvereins)

Mancher Veranstalter kann durch das Gutscheinmodell (es ist mit Ende 2022 befristet) jetzt etwas durchschnaufen. Die Konsumentenschützer sehen das eilig gezimmerte Gesetz hingegen kritisch. Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein (VSV) lässt kein gutes Haar daran. Für ihn ist das Gesetz ein bürokratisches Unding. Vor allem aber sieht Kolba darin eine Entmündigung des Konsumenten: „Ihm fehlt jede Wahlfreiheit. Als Ticketkäufer kann er nicht selbst entscheiden, ob er das Eintrittsgeld zurückhaben will oder ob er mit einem Gutschein zufrieden ist.“

Peter Kolba.
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Kolba befürchtet Folgewirkungen. Analog zu Sport und Kultur könnte das Gutscheinmodell auch bei Reiseveranstaltern zur Anwendung kommen. Das alles wäre „ein gewaltiger Rückschritt“ für den Verbraucherschutz. Der Grundsatz „ohne Leistung keine Gegenleistung“ werde außer Kraft gesetzt.

Auch das Fälschen von Gutscheinen werde erleichtert, weil im Gesetz klare Formvorschriften fehlen, befürchtet Kolba. Sein Fazit: „Was im Dornröschenschloss des Justizministeriums erdacht wurde, wird in der Praxis viel Chaos schaffen.“

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