Tiroler mit Existenzproblemen: „Hilfsfonds ist zu wenig“
Experten von Sozialeinrichtungen warnen auch in Tirol vor einer größer werdenden Anzahl von Menschen mit Existenzproblemen.
Innsbruck – Es bräuchte eine flächendeckende Informationskampagne zur Mindestsicherung (www.mindestsicherungtirol.at). Das fordern die Experten vom Tiroler Verein DOWAS, der zwei Sozialberatungsstellen (für Erwachsene und Jugendliche) betreibt und 52 betreute Wohnplätze bietet. In Tirol habe sich zuletzt die Lage Hilfesuchender angesichts der Corona-Pandemie verschärft. Peter Grüner vom DOWAS erklärt, worum es geht:
Hat sich die Zahl der Klienten in den Sozialberatungsstellen erhöht?
Peter Grüner: Bei uns liefen trotz Corona-Maßnahmen und Ausgehbeschränkungen von Anfang an die Telefone heiß. Auch die Beratung durch das Fenster hat uns einiges abgefordert. Die Erstkontakte sind signifikant gestiegen. Die Menschen sind verunsichert, wissen vielfach nicht, wie sie mit Sozialansprüchen und Ansuchen umgehen sollen.
Wie erleben Sie den Wohnungsmarkt?
Grüner: Der private Wohnungsmarkt in Innsbruck und Umgebung ist praktisch tot. Für Menschen, die sich eine 3-Zimmer-Wohnung für 1100 Euro oder eine Garçonniere für 600 Euro nicht leisten können, sieht es sehr, sehr düster aus. Mietwohnungen im Rahmen der Mindestsicherungs-Mietpreisverordnung des Landes sind derzeit nicht zu haben. Jetzt eine gescheite Wohnung zu finden, ist wie Lotto spielen.
Wie sieht es mit der Vergabe städtischer Wohnungen aus?
Grüner: Durch die Pandemie ist auch die Zuweisung der städtischen Wohnungen zum Stillstand gekommen. Erste Besichtigungen stehen jetzt aber wieder an.
Es gibt vom Land Tirol eine Unterstützung für hilfsbedürftige Tiroler – hilft das zu wenig?
Grüner: Der Arbeitnehmerfonds des Landes Tirol und der Arbeiterkammer ist ein erster Schritt, um Menschen in finanziellen Notlagen zu unterstützen, und auch ein wichtiges öffentliches Signal. Aber – und das ist unsere Hauptkritik an diesem Fonds – die Einmalzahlungen zwischen 300 und 600 Euro sind zu niedrig angesetzt. Die horrenden Mieten in Tirol, die hohen Kosten für Lebensmittel etc. sind ohnehin schwer zu stemmen.
Welche Probleme sehen Sie für die nächsten Monate? Was bräuchte es?
Grüner: Uns steht eine soziale Krise bevor, in der wegen der großflächigen Einkommensverluste Existenzprobleme dramatisch zunehmen. Wenn nicht politisch dagegengesteuert wird, droht die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Bereits von anderer Stelle kam der Vorschlag, das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe zu erhöhen. Erhöhungen der Einkommen und eine flächendeckende Info-Kampagne zur Mindestsicherung wären auch Teil einer Lösung.
Die Fragen stellte Liane Pircher