Gesundheit

Steifer als steif: Corona-Krise verschlimmert Arthrose

Bei Arthrose-Patienten mit Knieproblemen haben sich die Schmerzen schneller verschlimmert als bei den Hüft-Patienten.
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Bei Ruhe verschlimmert sich Arthrose in Knien schneller als in Hüften. Das ist eine der Erkenntnisse, die Mediziner während des Lockdowns gewannen.

Von Jasmine Hrdina

St. Johann i. T. –Wer rastet, der rostet. Dass an diesem Sprichwort etwas dran ist, weiß man auch aus der Arthroseforschung. Bewegung ist wichtig, gerade wenn die Gelenksknorpel bereits abgenutzt sind. Der Zustand scheint sich aber bei bestimmten erkrankten Gelenken bei längeren Bewegungspausen schneller zu verschlechtern als bei anderen. Zu dieser Erkenntnis gelangen Ärzte des Bezirkskrankenhauses in St. Johann – Corona sei Dank. Die acht Wochen des Lockdowns, in denen auch die Lichter in den Operationssälen aus blieben, nutzte ein fünfköpfiges Team, um den Gesundheitsverlauf einiger ihrer am stärksten betroffenen Arthrose-Patienten genauer unter die Lupe zu nehmen.

Die Bevölkerung war in dieser Zeit aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Sport und Bewegung waren nur eingeschränkt möglich. Dass sich die Symptome und Schmerzen bei den Patienten durch das Rasten verschlimmmern würden, sei zu erwarten gewesen, sagt der Primar der St. Johanner Orthopädie, Alexander Brunner. „Überrascht hat uns aber, dass Knie gegenüber Hüften davon stärker betroffen waren.“

Dreimal kontaktierten die Mediziner in den acht Wochen 68 Patienten. Alle von ihnen hätten in dieser Zeit eine Prothese (etwa künstliches Hüft- oder Kniegelenk) erhalten sollen. Die Eingriffe mussten wegen der Pandemie aber verschoben werden, um intensivmedizinische Kapazitäten für Corona-Patienten freizuhalten.

Seit Anfang Mai wird im Bezirkskrankenhaus St. Johann diese „Warteliste“ aufgearbeitet. „Wir werden nun Knie-Operationen priorisieren, weil sich der Zustand der Patienten hier schneller verschlechtert“, zieht Brunner Konsequenz aus den Studienergebnissen.

Während der Großteil der Patienten über einen gesundheitlichen Negativtrend berichtete, habe sich die Lage bei einem Fünftel sogar verbessert. Die Gründe dafür seien aber mit den vorliegenden Daten nur schwer zu nennen, meint der Prima­r.

Bei der telefonischen Befragung gaben die Teilnehmer nach eigenem Ermessen an, wie gut sie etwa alltägliche Aktivitäten wie Sockenanziehen oder Treppensteigen meistern. Bewertet wurde zu Beginn, in der Mitte und am Ende des achtwöchigen Lockdowns. „Wir haben dafür wissenschaftlich validierte Fragebögen verwendet“, erklärt der 43-Jährige.

Dass der eine oder andere sein Schmerzniveau höher angegeben hat, in der Hoffnung, schneller einen OP-Termin zu erhalten, sei nicht auszuschließen, räumt der Studienleiter ein.

Sollte es durch eine zweite Corona-Welle wieder zu einem Lockdown kommen, sei es, wie der Chefarzt betont, jedenfalls unumgänglich, dass Arthrose-Patienten auch eine Anleitung für Mobilisierungsübungen zu Hause mitbekommen.

Wird ein Gelenk bewegt, bildet sich in dessen Schleimhaut Flüssigkeit, die wie ein Schmiermittel funktioniert. Die Knorpel bleiben straff „wie bei einem Gummibärchen, das von Wasser umgeben ist“, stellt es der Mediziner vereinfacht dar. Wenn die Flüssigkeit durch längere Ruhepausen abnimmt, schrumpft der Knorpel (oder was noch davon übrig ist) zusammen. Das Gelenk wird unbeweglich, verursacht Schmerzen. Außerdem werden durch geführtes Training ohne Belastung Muskeln aufgebaut, die wiederum das Gelenk stabilisieren.

Ein weiteres Ergebnis der Studie überrascht den Arzt: Die psychische Situation der Patienten hat sich im Ausnahmezustand nicht verschlechtert. „Der Tiroler Arthrose-Patient braucht keinen Psychiater“, bringt es Brunner auf den Punkt.

Vielleicht auch, weil die 68 befragten Patienten bereits wissen, dass sie ohnehin operiert werden und sich ihr Zustand dann bessern sollte.

Ob es mit der Gesundheit der Patienten durch die Rückkehr zum (Fast-) Alltag auch so wieder bergauf gegangen wäre, sei zwar sehr interessant zu untersuchen – dafür müsste man jedoch die geplanten Operationen weiter aufschieben. „Das ist ethisch nicht vertretbar“, zeigt Brunner die Grenzen der medizinischen Forschung auf.

Arthrose: Wenn Gelenke um Hilfe rufen

Schmerzhafte Krankheit. Wenn ein Gelenksknorpel irreparabel geschädigt ist und das Gelenk selbst bereits beansprucht wird, spricht man von einer Arthrose. Sie ist meist mit Schmerzen verbunden und kann vielseitig behandelt werden: mit Bewegungstherapie, Ernährungsumstellung, Medikamenten und zuletzt mittels Operation. In vielen Fällen werden in Folge des Knorpelschadens auch Knochen und Muskeln in Mitleidenschaft gezogen.

Symptome. Arthrose äußert sich durch Schmerzen zu Beginn einer Aktivität und durch Unbeweglichkeit. Auch Gelenksverdickungen, Rötungen und Überwärmungen mit anhaltendem Schmerz können auftreten. Häufig von Arthrose betroffen sind Knie, Hüfte, Schultern, Wirbelsäule, Finger- und Zehengelenke sowie Sprunggelenke.

Therapie. Mittels Bewegungstherapie sollen steife Gelenke beweglicher gemacht werden. Durch gezieltes Training werden Muskeln gestärkt, die das Gelenk entlasten. Neben Krankengymnastik sind dafür Schwimmen, Radfahren und Wandern besonders gut geeignet. Von Tennis, Fußball und Karate (stoßartige und unvorhersehbare Bewegungen) raten Mediziner hingegen ab. Personen mit Übergewicht sollten abnehmen. Gegen die Schmerzen können Medikamente (z. B. Paracetamol) verabreicht werden. Eine fleischarme Ernährung und Verzicht auf Alkohol helfen gegen Entzündungen. Operative Eingriffe reichen vom Einsetzen künstlicher Gelenke (pro Jahr bis zu 30.000 Hüft- und Knieprothesen in Österreich) über die Entfernung rauer Knorpeloberflächen bis hin zur bewussten Versteifung von Gelenken.

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