Corona-Krise

50 Prozent mehr Arbeitslose als 2019: Die Jungen sind Verlierer in der Krise

Die Corona-Krise belastet das Verhältnis zwischen den Generationen. Ökonomisch und gesellschaftspolitisch.
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Während die Pensionen krisenfest sind, zahlen die Jungen drauf. Ein Solidarbeitrag von Pensionisten ist umstritten.

Wien, Innsbruck – Die Corona-Krise hat den Arbeitsmarkt in Österreich kalt erwischt. Im Vergleich zum Vorjahr gab es Ende Mai um 50 Prozent mehr Arbeitslose. 517.000 Menschen waren arbeitslos. Besonders hart getroffen hat es Menschen zwischen 20 und 25 Jahren. Der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit war mehr als doppelt so stark wie jener der Personen über 50 Jahren. „Die Kosten der Krise werden stark von den Jungen zu schultern sein“, erklärt Dénes Kucsera von der Denkfabrik Agenda Austria.

„Die Jungen sind überproportional von der Krise betroffen“, ist auch der Befund von Bernhard Binder-Hammer. Er arbeitet am Institut für Demographie an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Junge Menschen würden oft auf Werksvertragsbasis arbeiten, hätten weniger fixe Arbeitsplätze und würden eher gekündigt als ältere Arbeitnehmer. Noch dazu seien mit dem Tourismus oder dem Kultur- und Eventbereich Branchen von der Krise besonders betroffen, wo viele junge Erwachsene arbeiten würden.

Binder-Hammer hat untersucht, wie sich die Finanzkrise 2008 auf die Einkommenssituation der Arbeitnehmer ausgewirkt hat. In Österreich, aber auch in anderen EU-Ländern negativ: „Krisen führen dazu, dass Jobs abgebaut werden. Bei den bestehenden Gehältern lässt sich meist nichts einsparen. Deshalb werden die Einstiegsgehälter nach unten gedrückt“, erklärt Binder-Hammer. Das schadet den Jungen ganz besonders.

In Italien und Spanien lässt sich laut Binder-Hammer ganz besonders gut ablesen, was es heißt, wenn junge Menschen wenig verdienen. „Sie wohnen sehr lange bei ihren Eltern zu Hause. Die Geburtenraten in beiden Ländern sind gesunken, weil sich die Jungen keine Kinder leisten können oder wollen.“ Beide Länder hätten sich von der Finanzkrise noch nicht erholt. In Österreich sei das Einkommensniveau vor der Finanzkrise 2008, erst 2018 wieder erreicht worden.

Der schweren Last der Erwerbstätigen steht die Entwicklung bei den Pensionen gegenüber. Während durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit beinahe alle ihren Tribut zur Corona-Krise zahlen müssen, steigen die Pensionisten ökonomisch gut aus. Die Pensionen sind krisenfest. Auch wenn die Steuerbeiträge sinken, gleicht der Staat die Lücke im Pensionssystem aus.

„Nach der Finanzkrise sind die Median-Einkommen kaum gestiegen. Die Pensionen um zehn Prozent.“ Bernhard Binder-Hammer
 (Akademie der Wissenschaften, Wien)
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„Während es bei den Median-Einkommen in Österreich in den letzten zehn Jahren kaum einen Zuwachs gab, sind die Pensionen um zehn Prozent gestiegen“, rechnet Binder-Hammer vor. Dazu käme die demographische Entwicklung, dass immer mehr Pensionisten immer weniger Jungen gegenüberstünden. Die Rechnung für die in der Corona-Krise angehäuften Schulden müssen ebenso die nachfolgenden Generationen bezahlen. Binder-Hammer kann sich daher vorstellen, dass Pensionisten mit besonders hoher Pension einen Solidarbeitrag zur Corona-Krise leisten könnten. „Das wäre fair und gerecht.“

So weit aus dem Fenster lehnen mag sich die Denkfabrik Agenda Austria in dieser heiklen Causa nicht. „Das ganze Pensionssystem gehört reformiert“, meint Dénes Kucsera. Die Österreicher würden zwar um sieben Jahre länger leben, aber noch gleich früh in Pension gehen wie in den 1970er-Jahren. Heute sind Frauen 26,5 Jahre in Pension und Männer 21,4 Jahre. Das Pensionsantrittsalter von 65 Jahren bleibe noch immer graue Theorie. „Mit dem Erfolg, dass der Staat immer noch mehr Geld zu den Pensionen zuschießen muss.“

Dénes Kucsera ist Ökonom bei der Agenda Austria.
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Neben der Ungleichheit der Generationen könnte die Corona-Krise auch noch eine weitere Verschiebung bringen. Nämlich jene zwischen selbstständig und unselbstständig Erwerbstätigen. Letztere stellen in Österreich die Mehrheit dar. Die Corona-Krise kostet die Arbeitnehmer entweder Teile des Einkommens oder im schlimmsten Fall den Job. Sie fallen in die Arbeitslose und damit etwas „weicher“ als Selbstständige. „Da gibt es viele abschreckende Beispiele. Von Kulturschaffenden oder Gastronomen, die von einem Tag auf den anderen ohne einen Cent dastehen“, meint Binder-Hammer. „Dieses Risiko schreckt die Jungen wohl eher ab.“ Ob sich das dramatisch auswirken werde, lasse sich nicht prognostizieren. „Sagen wir es einmal so: Dadurch werden es sicher nicht mehr, die in die Selbstständigkeit drängen.“ (aheu)

Die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Generationen

20- bis 25-Jährige: Die Arbeitslosenquote in Österreich zwischen Februar und April dieses Jahres zeigt mit 7,7 Prozent den deutlichsten Anstieg in dieser Altersgruppe. Zwischen 25 und 29 Jahren liegt das Plus bei 5,8 Prozent. Ab 50-Jahren sinkt das Plus auf 3,5 Prozent.

Kein Geld für eigenen Haushalt: In Spanien und Italien ist die Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch. Junge Menschen leben sehr lange bei den Eltern. Die Geburtenraten sind niedrig. In Österreich dürften die Einstiegsgehälter nach der Corona-Krise sinken, erwartet die Akademie der Wissenschaften. Bei der Finanzkrise 2008 war es so.

Kosten der Krise: „Koste es, was es wolle“, müssen die heute Erwerbstätigen und die nachkommenden Generationen auslöffeln. Ein sozial gestaffelter Solidarbeitrag zur Krise von Pensionisten ist politisch kein Thema.

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