Politik braucht Wissenschaft, muss aber selbst entscheiden

Wie stark sich die Wissenschaft in politische Entscheidungen einbringen soll, hat die gemeinnützige Initiative „Demokratie 21“ mit einem Rundruf unter Experten ausgelotet, der nun online veröffentlicht wurde. Aus den Wortmeldungen geht vor allem die Forderung hervor, dass „wissenschaftliche Erkenntnisse grundlegend und unverzichtbar für die Politik“ seien, entscheiden müsse aber klar die Politik.

Die konkrete Frage, auf die 15 Fachleute aus Politik, Journalismus, Wissenschaft und der organisierten Zivilgesellschaft antworteten, lautete: „Wie wenig Wissenschaft braucht die Politik als Entscheidungsgrundlage?“ Die jeweiligen Rollen von Wissenschaft und Politik wurden durchaus unterschiedlich beurteilt. Franz Schausberger (ÖVP), ehemaliger Landeshauptmann von Salzburg und Universitätsprofessor für neuere österreichische Geschichte, ortet im Zuge der Corona- und Klimakrise eine Art „Comeback für die Wissenschaft“. Da wissenschaftliche Meinungen jedoch „meist nicht wertfrei, stets nur vorläufig und daher mehr oder weniger unsicher“ seien, sollte die Wissenschaft vor allem die Folgen einer politischen Entscheidung möglichst umfassend ausleuchten, so Schausberger.

Stärker in die Pflicht nimmt die Politik der Friedensaktivist Karl-Heinz Hinrichs. Von Artensterben bis Klimawandel, für ihn haben die Politiker „in den letzten Jahrzehnten alle Warnungen der seriösen, staatlich finanzierten Wissenschafter ignoriert“. Entsprechend müssten Politiker „in Zukunft öffentlich begründen, warum sie den Gutachten und Forderungen der staatlich finanzierten seriösen Wissenschafter nicht folgen. Das wäre ganz, ganz wichtig, um in Zukunft mehr Sachlichkeit in die ganze Debatte zu bringen.“

Die Profil-Journalistin Eva Linsinger sieht das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik in Österreich „schon lange vor Corona in einer gefährlichen bis bizarren Schieflage“. Es gebe viele Studien und Expertisen von Wissenschaftern und wissenschaftlichen Instituten, „die mit Steuergeld bezahlt werden, aber dennoch in irgendwelchen Schubladen verschwinden.“ Die Öffentlichkeit habe aber gerade in Coronazeiten ein Recht darauf zu wissen, auf welcher Grund- und Faktenlage diverse Maßnahmen getroffen werden. „Wissenschaftliche Expertise gilt zu oft als Herrschaftswissen. Es wird einfach nicht veröffentlicht, und das passt in einen Staat wie Österreich, in dem es ein Amtsgeheimnis gibt, in dem es einfach so etwas wie Geheimwissen gibt. Und jetzt, gerade in Coronazeiten, wäre die allerbeste und die allerhöchste Zeit, endlich damit aufzuhören“, gab Linsinger zu Protokoll.

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