Wirecard-Skandal

Auch Wirecard-Vorständin aus Tirol unter Druck

Susanne Steidl beim Tiroler Wirtschaftsforum: Das „komplexe Geschäftsmodell“ habe man nicht gut erklärt, begründete sie kritische Berichte.
© Foto TT/Rudy De Moor

Beim skandalgebeutelten Wirecard-Konzern sitzt mit Susanne Steidl auch eine Tirolerin im Vorstand. Finanzaufsicht spricht von „komplettem Desaster“.

Innsbruck – Der mutmaßliche Bilanzskandal beim deutschen Zahlungsdienstleister Wirecard sei „ein komplettes Des­aster, und es ist eine Schande, dass so etwas passiert ist“, sagte der Chef der deutschen Finanzaufsicht, Felix Hufeld. „Wir befinden uns mitten in der entsetzlichsten Situation, in der ich jemals einen Dax-Konzern gesehen habe.“

Wirecard räumte gestern ein, dass 1,9 Mrd. Euro auf Treuhandkonten in Asien sehr wahrscheinlich Luftbuchungen waren. „Wir sind nicht effektiv genug gewesen, um zu verhindern, dass so etwas passiert“, räumte Behördenpräsident Hufeld ein.

Im Zentrum des Bilanzskandals stehen der ehemalige Wirecard-Finanzchef in Südostasien und ein Treuhänder, der bis Ende 2019 für Wirecard aktiv war und das – in großen Teilen wahrscheinlich gar nicht existente – Geschäft mit den Drittpartnern betreute. Unklar ist unter anderem, ob und inwieweit Firmenchef Markus Braun oder andere Mitglieder des Vorstands über die Lage im Bilde oder möglicherweise sogar beteiligt waren. Das Unternehmen sieht sich als Opfer. Bei der Staatsanwaltschaft München läuft bereits ein Ermittlungsverfahren gegen den am Freitag zurückgetretenen Braun und drei weitere (Ex-)Mitglieder des Vorstands, der zumindest bis vor Kurzem fest in österreichischer Hand war. Neben dem zurückgetretenen Braun – der einst auch den türkisen Wahlkampf mit 70.000 Euro unterstützte – sitzt unter anderem auch die gebürtige Tirolerin Susanne Steidl im Vorstand. Auch gegen sie wird ermittelt. Sie trat im vergangenen November auch als Rednerin beim Tiroler Wirtschaftsforum in Innsbruck auf. Zu dem Zeitpunkt hatte die Financial Times bereits über mögliche Bilanzmanipulationen bei Wirecard berichtet und dass ein großer Teil der Wirecard-Umsätze mit Drittfirmen in Asien womöglich auf Scheingeschäften beruhe. Steidl begründete damals die kritischen Berichte mit dem „komplexen Geschäftsmodell“ von Wirecard, das man „vielleicht nicht so gut erklärt“ habe.

Auch Jan Marsalek stammt aus Österreich. Der für das Tagesgeschäft verantwortliche Vorstand wurde vor wenigen Tagen erst suspendiert und gestern gefeuert. Stefan Klestil, Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil, ist stellvertretender Aufsichtsratschef bei Wirecard.

Wie die mutmaßlichen Manipulationen unentdeckt bleiben konnten, werden auch die deutschen Finanzmarktaufsicht und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die die Jahresabschlüsse 2017 und 2018 geprüft und testiert hatte, erklären müssen. Die Zukunft von Wirecard hängt jetzt vom Wohlwollen der Banken ab, die wegen des fehlenden Jahresabschlusses für 2019 das Recht haben, zwei Milliarden Euro Kredite zu kündigen. (mas, dpa)

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