Galerie Thoman: Fetische einer Schamanin mit Gespür für Poesie
„Sentire“ mit Julia Bornefeld in der Innsbrucker Galerie Thoman: bestückt mit ganz neuen Masken-Blättern und vier Jahre alten Fetischen.
Von Edith Schlocker
Innsbruck – Zum Konzept des Galeristenpaares Elisabeth und Klaus Thoman gehört es, Künstler, die sie interessieren, oft über Jahrzehnte zu begleiten. Um auf diese Weise den Wandel ihres Tuns, Brüche genauso wie Kontinuitäten nachvollziehbar zu machen. Die in Berlin und Bruneck lebende Julia Bornefeld ist eine dieser „Thoman-Künstlerinnen“. Sie arbeitet multimedial, performativ genauso wie im Zwei- und Dreidimensionalen. Kreisend um eigene Befindlichkeiten, die aber so etwas wie seismografische Ausschläge einer „Schamanin“ sind, die gesellschaftliche Zuständlichkeiten thematisieren.
„Sentire“ nennt die 57-Jährige ihre aktuelle Ausstellung in der Innsbrucker Galerie Thoman. Bestückt mit ganz neuen, unter dem Einfluss des Corona-bedingten gesellschaftlichen Lockdowns entstandenen Arbeiten, aber auch vier Jahre alten, die bereits in der Wiener Galerie der Thomans zu sehen waren. Allerdings die Lieblingsarbeiten von Bornefeld der Galeristin sind, weshalb das Tiroler Publikum nun die Freude hat, diese Gruppe verschnürter Figuren in Innsbruck zu sehen.
„DERMA“ ist der Titel dieser eigenartig ambivalent berührenden Stelen, die eindeutig an menschliche Figuren erinnern, obwohl sie „nur“ Stahlträger sind, die mit Schaumstoff oder Stahlwolle umwickelt sind, festgezurrt mit Gummibändern. In klassischer Bondage-Manier verschnürt zu fetischartigen Objekten, die in ihrer Radikalität intuitiv Unbehagen auslösen. Wäre da nicht eine subversive Poesie, die die formale Brutalität relativiert. Ausgehend von den von Julia Bornefeld bevorzugten Materialien, die zwar ganz banale sind, sich allerdings im Zustand der Transformation befinden. Etwa Schaumstoff, der sich zersetzend eine wunderbar malerische Patina bekommen hat und dadurch das Zeug hat, zum Bild zu werden. Locker wie ein Gewand über Keilrahmen gespannt oder eben zur überlebensgroßen Skulptur gewickelt. Raffiniert spielend mit dem Gegensatz von Weichem und Hartem, Fläche und Raum, vielfältig assoziativ Zeichenhaftem. Wobei die Künstlerin die Interpretation ihrer Kunst ganz bewusst dem Betrachter überlässt.
Dass Julia Bornefeld eine lustvolle Spielerin mit den unterschiedlichsten Haptiken ist, ist unübersehbar. Wobei sie auch gern so tut als ob, wenn etwa ein aus Gips gespachteltes Relief wie rostig daherkommt, Weiches wie hart, Leichtes wie ganz schwer. In einem großen Bild unternimmt Bornefeld dagegen einen Ausflug ins Universum, angelegt als ins Trudeln gekommenes Spiel von Anziehung und Abstoßung. Eindeutig unter dem Eindruck von Corona ist eine Serie kleiner Mischtechniken auf Papier entstanden. Masken spielen da die zentrale Rolle, stilisiert zur bisweilen mit Humor aufgeladenen Metapher für Distanz und Nähe.