Sommerschule heizt Debatte um Ferienbetreuung in Tirol neu an
Gemeindeverband bemängelt kurzfristige Landes-Initiative, Angebote würden sich konterkarieren. Bildungsdirektion verweist auf Zeitdruck.
Von Manfred Mitterwachauer
Innsbruck – Bis kommenden Montag sollen die Ganztagesschulstandorte der Bildungsdirektion Rückmeldung geben. Darüber, wo und in welchem Ausmaß Bedarf für die erst am Dienstag verkündeten „Tiroler Sommerschulwochen“ besteht. Das Infoschreiben an die Direktionen erging vor einer Woche.
Wie berichtet, plant das Land – als Ergänzung zu der Sommerschule des Bundes für lernförderbedürftige Schüler im Fach Deutsch in den letzten beiden Ferienwochen – ein Betreuungsangebot im ersten schulfreien Sommermonat. Ein Mix aus Lern- und Freizeit. Noch wird Personal gesucht, angesprochen sind Lehrer und Lehramtsstudierende. Freiwilligkeit vorausgesetzt und gegen Extrabezahlung.
Der Applaus von Seiten der Schulleitungen und Gemeinden blieb aber aus. Weil sich viele schlicht von der Initiative überfahren fühlen. So gab’s von der Stadt Innsbruck schlicht einen Korb. Aus unterschiedlichen Gründen sieht sich der Magistrat nicht in der Lage, diese Landes-Pläne in der Kürze der Zeit umzusetzen, wie Abteilungsleiterin Birgit Neu der Bildungsdirektion mitteilte.
Den Druck verspürend, ruderte das Land noch am Mittwoch teils zurück. An jenen Ganztagesschulstandorten, an denen bereits eine Ferienbetreuung organisiert ist, bestehe keine Pflicht, diese Bedarfserhebung durchzuführen. An allen anderen freilich schon.
Telfs hat bereits ein fast durchgängiges Ferienangebot auf die Beine gestellt. Auch in Kooperation mit dem Roten Kreuz. Und auch mit einem Selbstbehalt. Die Landes-Initiative wäre indes für die Eltern kostenlos (Ausnahme: Mittagstisch). BM Christian Härting fühlt sich ungeachtet der Klarstellung der Bildungsdirektion doch in gewisser Weise konterkariert: „Natürlich sticht dieses Angebot andere – auch private – aus.“ Wiewohl Härting in seiner Funktion als stellvertretender Gemeindeverbandspräsident festhält, dass das Land auf das richtige Pferd setze. Nur in diesem Fall komme der Vorstoß schlicht zu spät und unkoordiniert. Auch, weil zentrale Fragen wie Organisation und Personalbereitstellung noch offen seien. Doch das Modell könne Zukunft haben, meint Härting: „Ein derartiges, über die Schule abgewickeltes Angebot würde schon Sinn machen.“ Zumindest dann, wenn die Gemeinden nicht wieder zur Kassa gebeten würden: „Wir sind zwar Schulerhalter, aber diese Art der schulischen Ferienbetreuung hat mit den Gemeinden an sich nichts zu tun.“ Ergo brauche es eine klare Aufgabentrennung zwischen Gemeinden (Bereitstellung der Räumlichkeiten), Bildungsdirektion (Organisation) und Land (Finanzierung).
Dass sich etliche Gemeinden in der kurzfristigen Umsetzung der Sommerschule überfordert fühlen würden, streitet Bildungsdirektor Paul Gappmaier nicht ab. Selbst hätte man sich mehr Vorlauf gewünscht. Man musste zunächst aber die Bundespläne abwarten. Dann sei in wenigen Wochen ein Konzept aus dem Boden zu stampfen gewesen. Bestehende Angebote wolle man aber nicht unterlaufen: „Daher haben wir auch Korrekturen vorgenommen.“ Von den 154 öffentlichen Ganztagesschulen (plus neun private) hätten bis zu 50 bereits eigene Betreuungsangebote aufgestellt, so Gappmaiers Eindruck nach den ersten Rückmeldungen. Dass der Bedarf gegeben sei, sei nach der Corona-Krise unbestritten: „Für viele Eltern ist es eine schwierige Situation.“
Probleme, zu wenige Lehrkräfte zu bekommen, ortet Gappmaier nicht: „Die Haltung der Lehrergewerkschaft ist zurückhaltender als die der Lehrer selbst.“ Bereits bevor das Land an die Öffentlichkeit gegangen sei, hätten sich Lehrer freiwillig gemeldet.
Härting, selbst ausgebildeter Mittelschullehrer, hat auch hier eine differenzierte Position. Wenn Lehrer eine gewisse Ferienzeit opfern wollen, um sich etwas dazuzuverdienen, spreche nichts dagegen. Sollte sich darob aber erneut eine Debatte über die Lehrer-Ferien entspinnen, erinnert Härting an den Kindergartenbereich: „Dort haben NeueinsteigerInnen nur mehr fünf Wochen Urlaubsanspruch.“
Polit-Streit um Schule im Bund
An die 22.000 Kinder sollen sich österreichweit für die Sommerschule des Bundes angemeldet haben. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bezeichnete dies gestern im ORF-Radio – mit unternehmerischen Wortslogans – als Erfolg. Für Tirol hieß es zuletzt, dass rund 900 Kinder mit Deutsch-Defiziten teilnehmen würden.
„Die Zukunft unserer Kinder mit der Einführung eines neuen Produktes zu vergleichen, macht mich sprachlos. Dann auch noch zu behaupten, dass ohnehin 50 Prozent des Potenzials erreicht wurden, zeigt einmal mehr, dass Kinder für Faßmann keine Priorität haben“, ärgert sich NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg ob Faßmanns Aussagen. Für die NEOS braucht es mehr als nur diese Initiative.