Erneut Anti-Regierungs-Proteste in Serbien
In Belgrad, Novi Sad, Nis und einigen anderen Städten Serbiens wurden am Freitagabend zum vierten Mal hintereinander Antiregierungsproteste abgehalten. In Serbiens Hauptstadt, wo ab Freitag erneut das Verbot für Versammlung von mehr als zehn Personen gilt, haben sich vor dem Parlament Anhänger verschiedener politischer Gruppierungen, von extremer Rechte bis zur Linken, versammelt.
Während die Nationalisten vor allem mit der Kosovo-Politik des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic unzufrieden sind, werden von Anhängern anderer Gruppierungen die Regierungspolitik und ihr Coronavirus-Management kritisiert.
Die Proteste sind zunächst ruhig verlaufen. Wie am Donnerstagabend haben starke Sonderpolizeieinheiten zuerst die Position hinter dem Parlamentsgebäude bezogen.
Der Freitag ist laut Amtsangaben der schlimmste Tag in Serbien, was die Coronakrise angeht. In den vergangenen 24 Stunden ist mit 18 Toten die höchste Zahl seit 6. März verzeichnet worden. Soweit wurden 17.728 Krankheitsfälle vermeldet worden. Am Freitag gab es 370 Neuinfizierte.
Ministerpräsidentin Ana Brnabic hat an ihre Landsleute appelliert, angesichts der dramatischen Gesundheitslage - alle Belgrader Krankenhäuser sind voll ausgelastet, neu eingelieferte Kranke müssen in Krankenhäuser ins Landesinnere gebracht werden - jegliche Proteste aufzuschieben. Ihre Regierung werde auch nicht vor restriktivsten Maßnahmen Abstand nehmen, sollte sich die Lage weiter verschlechtern, warnte Brnabic bei einer Pressekonferenz am Nachmittag.
Den Anlass für die aktuelle Protestwelle lieferte am Dienstag eine Ankündigung von Präsident Aleksandar Vucic über die Verhängung der Ausgangssperre in Belgrad an diesem Wochenende. Die Regierung verzichtete daraufhin dennoch auf die Sperre.
Die serbischen Behörden hatten zwischen dem 15. März und 6. Mai versucht, die Coronavirus-Epidemie durch strenge Sondermaßnahmen zu bekämpfen, die dank dem Ausnahmezustand möglich waren. Als der Ausnahmezustand aufgehoben wurde, sind praktisch alle Einschränkungen gestrichen worden. Es wurden Fußballspiele mit Publikum und mehr zugelassen. Am 21. Juni wurden schließlich auch die Parlamentswahlen abgehalten, welche die regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Aleksandar Vucic überzeugend gewonnen hat. Nach der Siegesfeier im Belgrader SNS-Sitz landeten mehrere Spitzenfunktionäre der Partei im Krankenhaus.