Seefelder Löwenrunde

„Sind geradezu im Paradies, was Vernunft unserer Politiker betrifft“

Treffen im Alpenchalet Wildmoos (von links): Christian Harisch, Christian Jäger und Hannes Auer.
© Florian Lechner

Bei der „Löwenrunde“ in Seefeld diskutierten drei namhafte Tiroler Unternehmer über die Folgen und die nötigen Lehren – wie die verstärkte Lokalisierung – aus der Corona-Krise.

Von Alois Vahrner

Seefeld – Auf Initiative des Tiroler Multiunternehmers Christian Jäger sollen sich künftig Wirtschaftsspitzen bei der „Löwenrunde“ über aktuelle Themen austauschen. Der Name sei insofern Programm, als sich künftig in regelmäßigen Abständen „Leittiere“, die als solche etwas bewegen wollen, aus verschiedenen Branchen treffen sollen. „Eine Eichhörnchen-Runde wäre also klar der falsche Ansatz.“ Erste Diskussionspartner waren der Tourismus- und Handelsunternehmer Christian Harisch sowie der Chef des global tätigen Autozulieferers 3CON Anlagenbau, Hannes Auer.

„Am 15. März ist das Unglaublichste passiert, was nie jemand auch nur für denkmöglich erachtet hat, nämlich dass man Tirol mitten in der Saison einfach zusperrt und auf Zero setzt“, sagt Harisch zum Corona-Lockdown. Der Eingriff in die Freiheitsrechte in einem Land wie Tirol, das 1809 für die Freiheit gekämpft hat, sei eine „harte Geschichte“ gewesen. Dazu habe das Denunziantentum mit allein 100 Anzeigen gegen seine Unternehmen fröhliche Urständ gefeiert.

Unverständlich sei, dass man mit Tirol und Ischgl, das unter schwierigen Bedingungen eine Erfolgsstory hingelegt und „die nach Kitzbühel zweitbeste Seilbahn“ habe, Schuldige gesucht habe. „Der Hofer war’s, hat ja der Ambros schon gesungen.“ Das Ganze habe teils groteske Züge angenommen: Er sei in Hamburg nicht mehr bedient worden, weil er Tiroler ist, so Harisch. Und in Kitzbühel sei wegen der Namens-Ähnlichkeit mit dem „Kitzloch“ ein Zahnärzte-Kongress abgesagt worden. „Tirol sollte sich solidarisieren und nicht untereinander aufeinander draufhauen.“

Heute müsse man der Politik aber sagen, betont Harisch: „Chapeau, dass man das so konsequent umgesetzt hat. Wir haben die allerbeste Form der Krisenbewältigung, die man sich in Europa vorstellen kann.“ Er kenne es auch aus Deutschland, wo es auch relativ gut gelaufen sei, aber in Großbritannien sei es ein einzigartiges Desaster. „Wir sind da geradezu im Paradies, was die Vernunft der Politiker betrifft“, so Harisch.

Christian Jäger, der in seiner Gruppe über 20 Unternehmen vereint, beschreibt die Auswirkungen unterschiedlich. Während Immobilien, die für Stadthotellerie genutzt werden, massiv leiden, gehe es dem Büroimmobilienmarkt verhältnismäßig gut. Das Event-Geschäft sei momentan tot. „Meinen Geschäftsführer in der Branche muss ich fragen, ob er ein Hellseher ist. Er hat letztes Jahr eine Pandemie-Versicherung für all unsere Konzerte abgeschlossen.“

Zufrieden ist Jäger mit der Sparte Sport und Gesundheit. Sein auf Elektromuskelstimulation basierendes Produkt EasyMotionSkin verzeichne kräftige Zuwächse. Stark unterstützt wurde der Trend durch die eigenen Digitalisierungsmaßnahmen wie Online-Videotrainings. „Ich will nicht von Branchengewinnern sprechen. Es gibt keine Gewinner, wenn so viele Menschen sterben.“ Aber es gebe Branchen, die aus der Krise gestärkt hervorgehen, so Jäger.

Für 3CON-Gründer Hannes Auer seien die Folgen in der Industrie sehr unterschiedlich. „Auf den Maschinen, die wir jetzt gerade produzieren, werden frühestens 2022 Fahrzeuge gefertigt.“ In den USA, Mexiko und China gab es wochenlange Stilllegungen, im größten Standort in Ebbs konnte gerade auch für Großkunden wie BMW, Daimler, General Motors und Ford unter strengen Auflagen weiterproduziert werden.

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Für Auer ist eine Lehre aus der Krise der vielerorts stärker gewordene Wunsch nach Lokalisierung. Die positiven Effekte seien Stabilität der Produktion, weniger CO2-Ausstoß, mehr regionale Wertschöpfung und die Stärkung der Kaufkraft. „In China muss man bei regionalen Projekten 75 Prozent lokale Wertschöpfung belegen, in den USA, Stichwort America first, auch Personal regional beschäftigen. Nur Europa hat nichts dergleichen.“ Auch Swarovski, das verstärkt aus Tirol auslagere, gehe den falschen Weg.

Verstärkt in Europa produzieren und kaufen, dafür macht sich auch Jäger stark. EasyMotionSkin werde in Deutschland hergestellt und hatte keine Probleme mit Lieferketten. Er erteilte den Auftrag, alle Bestandteile im direkten Umfeld so zu organisieren. „Unser Bestreben muss sein, unseren guten Ruf auch im Ausland zu bewahren.“

Kritik übt Harisch am in der Krise noch stärker boomenden Online-Handel. „Wer heute online einkauft, akzeptiert die x-fache Verpackung und enorme Versandwege, dazu gibt es 50 Prozent Retouren, die dann vielfach auch noch weggeworfen werden.“ Da werde Wasser gepredigt und Wein getrunken, Amazon und Alibaba hätten keine lokale Wertschöpfung, trotzdem würden sie vom Gesetzgeber auch noch massiv bevorzugt. „Das Beste wäre, den Online-Handel zu verbieten oder zumindest die Verkaufszeiten anzugleichen.“ Geschäfte dürften nur 72 Stunden die Woche und an Sonntagen gar nicht öffnen, der Online-Handel somit um ganze 96 Stunden länger.

Fakten zu den Unternehmensgruppen

Christian Harisch ist an einer ganzen Reihe von Tourismus-, Immobilien- und Handelsunternehmen beteiligt. Zusammen mit Stefan Rutter betreibt er eine ganze Reihe von Einkaufszentren, darunter in Tirol auch das Cyta in Völs und M4 in Wörgl. Als Touristiker ist er beispielsweise mit dem Lanserhof auch weit über Tirols Grenzen hinaus aktiv. Auf Sylt ist das mit etwa 100 Mio. Euro aktuell größte Tourismus-Projekt Deutschlands im Bau.

Christian Jäger dirigiert ein Firmenkonglomerat in unterschiedlichen Branchen wie Dienstleistungen, Immobilien, die Verlagsbranche bis hin zum Sport- und Eventmanagement. Inklusive aller Beteiligungen habe man zuletzt gut 200 Mio. Euro umgesetzt. Neben dem Hauptsitz in Seefeld gibt es weitere Stand­orte in München, Hamburg, Stockelsdorf bei Lübeck, Berlin, Leipzig und Wien.

Hannes Auer hat 3CON im Jahr 1998 gegründet, zuletzt setzte das Unternehmen mit Standorten in Ebbs, Oberaudorf, den USA, Mexiko und China mit insgesamt 470 Mitarbeitern etwa 73 Mio. Euro um.

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