TT-Interview

Triathlet Luis Knabl: „Die Schmerzen waren aushaltbar“

Trotz gebrochener Rippe liebäugelt Luis Knabl mit einem Start bei der Staatsmeisterschaft am Wochenende in Niederösterreich.
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Ohne Corona wäre Luis Knabl (28) am Freitag bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Tokio einmarschiert. So aber liegt der ganze Fokus auf 2021 – und der Weg ist nicht nur lang, sondern hürdenreich.

Ich würde gerne unkonventionell beginnen und Sie bitten, folgende Worte zu ergänzen. Schmerzen sind ...

Luis Knabl: ... nur vorübergehend.

Die Frage zielt darauf ab, dass Sie trotz Ihres vor vier Wochen bei einem Mountainbike-Sturz erlittenen Rippenbruchs ein Antreten bei den Staatsmeisterschaften am Wochenende in Wallsee (NÖ) überlegen.

Knabl: Ich habe heute einen Härtetest absolviert und den Ernstfall in allen drei Disziplinen geprobt. Schmerzfrei ist das alles nicht gegangen, aber ich möchte unbedingt starten.

Mit Schmerzmittel?

Knabl: Nein, kein Thema, die meisten Mittel stehen bei uns im Wettkampf auf der Dopingliste. Ich möchte mich ganz einfach wieder mit den anderen messen. Aber es macht nur Sinn, wenn ich mein Leistungsvermögen auch abrufen kann. Die definitive Entscheidung werde ich wohl erst in den kommenden Tagen fällen.

Wie ist es genau zum Rippenbruch gekommen?

Knabl: Ich war am 27. Juni im Raum Innsbruck unterwegs und habe beim Bergabfahren von der Hungerburg einen Sprung übersehen und dann hat’s mich ordentlich zerlegt. Wie ich da rausgesegelt bin, dachte ich mir, das war’s jetzt, es ist alles gebrochen. Nach dem Aufrappeln war es aber halb so schlimm und ich bin noch heim nach Pfaffenhofen gestrampelt und dann am nächsten Tag zum Trainingslager nach St. Moritz aufgebrochen. Dort ist mir dann bei einer Schwimmeinheit der Schmerz so richtig eingefahren und in der Klinik wurde ein Rippenbruch diagnostiziert.

Sie sind darauf aber nicht heimgefahren?

Knabl: Nein, ich habe weiter trainiert, weil es bis auf die Schmerzen seitens der Ärzte grünes Licht gegeben hat. Und ja, es hat verdammt harte Tage gegeben.

Wie hat denn so ein verdammt harter Trainingstag ausgesehen?

Knabl: Sechs Stunden Radeln, sechs Kilometer Schwimmen und abends noch so 20 Kilometer Laufen.

Wenn dann jemand behauptet, Sie sind irre, was antworten Sie?

Knabl (lacht): Das sagen wirklich extrem viele, aber für mich und mein Umfeld ist das einfach ganz normal. Und die Schmerzen waren aushaltbar.

Und wenn der Körper generell zu streiken beginnt?

Knabl: Dann lege ich einen halben Ruhetag ein.

Einen halben?

Knabl: Zum Beispiel.

Hin zu den Olympischen Spielen und deren neue Zeitrechnungen. Wäre Corona nicht gewesen, würden Sie am Freitag mit der österreichischen Mannschaft bei der Eröffnungsfeier ins Olympiastadion von Tokio einmarschieren. So aber sind es noch exakt 365 Tage zum zweiten Versuch 2021. Was löst das eine wie das andere in Ihnen aus?

Knabl: Als Ende März die einjährige Verschiebung bekannt gegeben wurde, habe ich ganz einfach versucht, mich mit der neuen Realität anzufreunden – und für mich das Positive zu finden. Ich sehe es als Chance, nächstes Jahr noch stärker, noch besser vorbereitet zu sein.

Es muss nicht zwingend Tokio sein. Sushi schmeckt auch hier am Möserer See.
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Über allem schwebt freilich das Damoklesschwert Corona. In Tokio herrscht seit der Vorwoche höchste Alarmstufe und rund 70 Prozent der Japaner haben sich für eine weitere Verschiebung bzw. eine Absage der Spiele ausgesprochen.

Knabl: Ich verstehe die Menschen dort, viele haben derzeit ganz andere Sorgen. Andererseits wurden schon so viele Milliarden investiert, dass ich schon hoffe, dass es nächsten Sommer irgendwie möglich sein wird. Denn eine neuerliche Verschiebung scheint ja ausgeschlossen. Letztlich ist das aber eine Causa, auf die ich persönlich keinen Einfluss habe, deshalb versuche ich mich um meine Sachen zu kümmern. Es ist mein ganz großes Ziel, mein ganz großer Traum. Und sollte 2021 nichts sein, dann probiere ich es 2024 noch einmal. Aber bleiben wir positiv.

Wie schwer ist es, in dieser Ungewissheit zu trainieren, sich täglich zu quälen, körperlich wie geistig an Grenzen zu gehen?

Knabl: Es ist ein Auf und Ab. In der Zeit des Lockdowns hatte ich jedenfalls so viel Zeit für die Familie wie lange nicht. Das Gleiche galt für die Freunde, als die Ausgangssperre wieder aufgehoben wurde. Zermürbend wird es, wenn du zu lange alleine trainieren musst. Deshalb war ich froh, dass ich gemeinsam mit anderen Athleten drei Wochen in St. Moritz trainieren konnte. Und wenn du gemeinsam schuftest, ist das irgendwie geteiltes Leid. Manchmal muss man den Tag ganz einfach überstehen.

Wie oft fluchen Sie auf das Trainingsprogramm Ihres Coaches (Roland Knoll aus Ingolstadt)?

Knabl: Das kommt schon vor, aber eine gute Zeit, ein gutes Ergebnis im Wettkampf und du weißt, wofür die ganze Schinderei gut war. Ich vertraue Roland ganz einfach.

Was ist für Sie die größte Entbehrung bei diesem Mammutprojekt?

Knabl: Dass ich eigentlich nie frei habe, dass es das klassische Wochenende für mich nicht gibt – und dass ich bei gewissen Unternehmungen meiner Freunde nicht dabei sein kann. Und am Abend einmal g’scheit ausgehen spielt sich auch nicht.

Und Zeit für die Freundin?

Knabl: Finde ich, aber es ist natürlich auch nicht immer einfach. Mein Glück ist, dass sie mich bei allem voll unterstützt und mich ganz einfach auf meinem Traum begleitet.

Um den Kreis zu schließen, würde ich Sie abschließend noch einmal bitten, folgende Worte zu ergänzen: 2021 wird mein olympischer Traum ...

Knabl: ... in Erfüllung gehen.

Wenn wir schon beim Träumen sind: Eine Medaille wäre wohl vermessen?

Knabl: Sagen wir so: In diesem Jahr wären mein Ziel die Top 15 gewesen, nächstes Jahr möchte ich unter die Top Ten. Und wer weiß schon, was in solch einem Rennen alles passieren kann?

Das Gespräch führte Max Ischia