Ermittlungen nach Rekordfund: Tirol – ein Transitland für Drogen
Nach der Sicherstellung von 100 Kilo Marihuana laufen die schwierigen Ermittlungen gegen die Hintermänner. Der Großaufgriff bei Kufstein dürfte kein Zufall sein.
Von Thomas Hörmann
Innsbruck – Jetzt geht’s erst richtig los: Nachdem Kommissar Zufall Anfang Juli die Sicherstellung von rekordverdächtigen 100 Kilo Marihuana in einem Lkw ermöglichte, läuft mittlerweile die Suche nach den Hintermännern: „Das ist der deutlich schwierigere Teil der Ermittlungen“ sagt Katja Tersch, Leiterin des Landeskriminalamtes.
Wie berichtet, ist der bulgarische Sattelzug in Spanien gestartet. Das Ziel war Deutschland. Allerdings mussten die beiden Lenker aus Rumänien und Serbien nach einer Polizeikontrolle am 29. Juni einen Zwischenstopp in Tirol einlegen. Die Beamten hatten das Schwerfahrzeug wegen technischer Mängel vorübergehend aus dem Verkehr gezogen. Der Lkw wurde in einer Werkstatt abgestellt. Nach einem Einbruch in die Halle nahmen Polizisten den Sattelzug genauer unter die Lupe. Dabei stellten sie 100 Kilo Marihuana sicher.
Lenker dürfte nichts gewusst haben
Wie die Ermittlungen ergaben, dürfte der rumänische Lenker von der verbotenen Fracht im Wert von einer Million Euro nichts gewusst haben. Sein Kollege aus Serbien schon – nach dem 34-Jährigen wird derzeit gefahndet. Am Schmuggel beteiligt war offenbar auch ein Litauer, der beim Transport quer durch Europa ein Begleitfahrzeug lenkte. Der Mann konnte in der Ukraine festgenommen werden.
Doch damit ist der Fall noch nicht abgeschlossen. Die Polizei geht nicht davon aus, dass die beiden Verdächtigen den Schmuggel auf eigene Rechnung durchgeführt haben. Vielmehr dürfte es Auftraggeber und Abnehmer geben. Doch wer sind die Hintermänner? „Diese Frage ist jetzt Gegenstand der Ermittlungen“, sagt Tersch. Ein ebenso schwieriges wie langwieriges Unterfangen, das internationale Zusammenarbeit von Polizeieinheiten und Gerichten erfordert.
Dass der Sattelzug aus Spanien kam, dürfte kein Zufall sein. Die iberische Halbinsel gilt als eine von mehreren Drehscheiben des internationalen und europäischen Drogenhandels. Quasi die erste Adresse für Kokainlieferungen aus Lateinamerika und Cannabis-Exporte aus den Maghreb-Staaten. Von Spanien und Portugal werden die illegalen Konsumgüter auf die übrigen europäischen Regionen verteilt. Allerdings ist das nicht die einzige Schmuggelroute. „Das geht mittlerweile kreuz und quer“, meint Tersch. Von Holland in den Süden und Osten, vom Balkan und Italien in den Norden und Westen. Und Tirol liegt in der Mitte.
Rekordaufgriffe im benachbarten Ausland
„Auch wenn wir zuletzt kaum Schmuggel-Aufgriffe hatten, ist es naheliegend, dass Tirol auch für Drogen ein Transitland ist“, so Tersch weiter. Dafür sprechen auch Rekordaufgriffe im benachbarten Ausland. So stellten italienische Carabinieri im Jänner 2016 bei Sterzing im Wagen von zwei Albanern 93 Kilo Kokain im Wert von 18 Millionen Euro sicher. Die Schmuggler waren über den Brenner nach Südtirol eingereist. 15 Monate später entdeckten italienische Polizisten in einem Lkw am Reschenpass 1,4 Tonnen Haschisch im Wert von 14 Millionen Euro. Das Schwerfahrzeug war auf dem Weg nach Tirol.
Im Vergleich dazu wirken die Anfang Juli im Bezirk Kufstein sichergestellten 100 Kilo Marihuana beinahe wie Kleinkram. Dennoch handelt es sich dabei um den zweitgrößten Drogenaufgriff in der Tiroler Kriminalgeschichte. Den Rekord halten bis heute ein Holländer und ein Belgier, die im Herbst 2009 im Außerfern mit 147 Kilo Haschisch im Kleintransporter erwischt wurden.
Doch zurück zu den Schmuggelrouten: Dass viele Wege nicht nur durch, sondern auch nach Tirol führen, belegt der aktuelle Suchtmittelbericht des Bundeskriminalamtes. Aus dem geht hervor, dass Nordafrikaner die heimische Drogenszene mit „Stoff“ aus Norditalien versorgen.
Tschetschenische Dealer importieren vornehmlich Kokain und Cannabis aus Wien. Ebenfalls aus der Bundeshauptstadt kommt nach Erkenntnissen des BKA das Suchtgift, das afghanische Händler in Tirol verkaufen. „Eingebürgerte Staatsangehörige aus der Türkei und den Balkanstaaten konsumierten und verkauften illegale Suchtmittel, die aus ihren Heimatländern oder aus Deutschland und den Niederlanden eingeschmuggelt wurden“, heißt es im Bericht.