Bezirk Reutte

Nachbarn kämpfen gegen Stallbau neben Wohngebiet in Wängle

Die Unterbringung von geplant rund 30 Kühen und 10 Stück Jungvieh birgt Konfliktpotenzial.
© Tschol

Seit Jahren schwelt ein Konflikt in Wängle. Ein Landwirt möchte angrenzend an ein Wohngebiet einen Stall bauen. Die Nachbarn wollen dies mit allen Mitteln verhindern und orten sogar politische Einflussnahme.

Von Simone Tschol

Wängle – Der geplante Bau eines Stallgebäudes für zirka 40 Stück Vieh in Wängle beschäftigt nicht nur Gemeinde und Land seit zwei Jahren. Bauwerber und Nachbarn kommunizieren inzwischen über den Anwalt.

Landwirt Tobias Wörle plant, zirka 60 Meter oberhalb des bestehenden Bauernhofes seines Vaters im Ortsteil Winkl einen neuen Stall zu errichten. „Ich möchte in Vaters Fußstapfen treten und die Landwirtschaft weiterführen. Aber das bestehende Stallgebäude lässt für die Zukunft keine zeitgemäße Tierhaltung zu. Ich habe dort auch keinerlei Erweiterungsmöglichkeit, da der Hof mitten im Wohngebiet liegt. Wenn man die Landwirtschaft weiterführen will, dann muss man auch modernisieren. Die Vorschriften werden immer mehr. Die Tiere brauchen mehr Platz, mehr Licht. Da dies am bestehenden Hof nicht möglich ist, möchte ich einen neuen Stall oberhalb errichten und das bestehende Gebäude für die Unterbringung von Geräten nutzen“, erläutert Wörle.

Bei den Nachbarn rennt er damit keine offenen Türen ein. Sie kritisieren nicht nur den Standort als „zu nahe am seit Jahrzehnten bebauten Wohngebiet und die daraus resultierenden massiven Immissionen“, sondern vor allem die Vorgehensweise. „Das Projekt steht sowohl der Tiroler Bau- und Raumordnung entgegen als auch der raumplanerischen Ortsüblichkeit und widerspricht klar den aktuell gültigen Richtlinien. Auch Beamte des Landes und Gutachter kommen zum Schluss, dass dieser Bau nach derzeitiger Gesetzeslage nicht möglich ist“, erklärt David Heitzinger, einer der betroffenen Nachbarn, gegenüber der TT. Er zitiert u. a. aus einem Schreiben der Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht des Landes. Darin heißt es u. a. zusammenfassend: „Aus diesem Grund wird ein Widerspruch zu den Aufgaben und Zielen der örtlichen Raumordnung gemäß §27 TROG 2016 gesehen.“ Die Nachbarn stützen sich zudem auf ein Urteil des Landesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2017 in einem ähnlichen Fall. Auch der gerichtlich beeidigte Gutachter Walter Huber, selbst Landwirt und „daher Bauern sicher nicht schlecht gesonnen“, komme in einem Gutachten zu dem Schluss, dass die Anforderungen an den Immissionsschutz so niemals erfüllbar seien.

„Seit Jahrzehnten ist es in Wängle üblich, Stallungsneubauten außerhalb des Ortsgebietes anzusiedeln. Bei vergleichbaren Stallbauten wurde zwischen den Parteien und dem Land Tirol ein Mindestabstand von 50 Metern finalisiert. Und hier sollen plötzlich 11 Meter als Schutz vor Immissionen und Beeinträchtigungen ausreichend sein? Das muss mir jemand erklären. In der Argumentation werden Haselnussstauden angeführt, die die Immissionen reduzieren sollen“, schüttelt Andrea­s Gschwend den Kopf und fügt hinzu: „Tobias soll seinen Traum verwirklichen, aber er muss sich gleich an die Gesetze halten wie wir alle. Er hätte Alternativstandorte außerhalb des Siedlungsgebietes. Auch über einen Grundtausch wurde gesprochen. Mit diesem hätte er die gesetzlichen 50 Meter Abstand einhalten können. Aber all das will er nicht.“

„Alle Schreiben, die ich hier bei mir habe, sind positiv. Und ein Aussiedlerhof kommt gar nicht in Frage“, kontert Wörl­e: „Mein Vater hat einen Hof, wo auch ich mit meiner Familie wohne, und dort wollen wir bleiben. Zudem kam man bei der Prüfung der Alternativ­standorte immer wieder zum Ergebnis, dass der Stall wie geplant geeigneter wäre, zumal sich dahinter sieben bis zehn Hektar Weidefläche befinden“, sagt Wörle. Er glaubt zudem, dass es nicht um den Stall, sondern um die Bebauung der Fläche an sich gehe. „Und sagen wir so: Auch die Gemeinde ist nicht gerade die treibende Kraft hinter meinem Bauvorhaben“, formuliert Wörle diplomatisch.

„Warum wird der Stallneubau mitten im Ort entgegen sämtlichen Richtlinien politisch so stark unterstützt?“, fragt sich indes Gerold Gschwend. Die Nachbarn wundern sich jedenfalls stark über das massive Bemühen, dieses Vorhaben trotz vorliegender Fakten genehmigungsfähig zu machen: „Ob dies, wie Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann selbst in einem Schreiben formuliert, daran liegt, dass der Projektwerber ihr Cousin ist, entzieht sich unserer Kenntnis.“

Mit den Vorwürfen konfrontiert, gerät Ledl-Rossmann in Rage: „Das ist ja unglaublich. Das lasse ich mir nicht unterstellen. Für mich war von Anfang an klar, dass ich mich aus dieser Sache heraushalte.“ Wörle glaubt, dass das Verwandtschaftsverhältnis kontraproduktiv ist: „Sonja hat andere Aufgaben und ist nicht in der Position, dass sie irgendeinen Sachbearbeiter beeinflussen könnte. In dieser Sache war es sicher nicht förderlich, dass sie meine Cousine ist. Im Gegenteil.“ Wörle spielt damit auf die schleppende Entscheidungsfindung an. Er habe nicht im Traum je gedacht, dass 700 Quadratmeter Grund von Freiland in Sonderfläche landwirtschaftliche Gebäude umzuwidmen „so ein Theater wird“. „Ich gehe den Amtsweg weiter, bin mir aber sicher, dass die Sache noch vor Gericht landet“, meint Wörle.

Die Nachbarn gemeinsam: „Keiner von uns will, dass Tobias 900.000 Euro in die Hand nimmt, baut, und wir dann den Abbruchbescheid erwirken müssen. Sollten die Spielregeln aber nicht für alle gleich gelten, werden wir bis zum Landesverwaltungsgericht gehen.“

David Heitzinger, Andreas und Gerold Gschwend haben sich nun in einem Brief an die Landtagsabgeordneten gewandt, mit der Bitte, „sich für eine rechtskonforme und alle Bürger gleichbehandelnde Entscheidung einzusetzen“.

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